Thomas Baader
Als das perfekte Leben zerbrach
Thomas Baader hat das Glück scheinbar gepachtet: Als Bosch-Manager legt er eine steile Karriere hin, privat genießt er das Leben mit Frau und Freunden in vollen Zügen. Doch dann reißt ein tragischer Todesfall seine Welt aus den Angeln. Heute ist er dankbar dafür.
Vier Kettensägen habe ich im Keller. Die werde ich wohl nie brauchen. Eine ist ohnehin nur für den Profieinsatz gemacht«, erzählt Thomas Baader mit einer guten Prise Selbstironie. Der sechzigjährige Manager outet sich direkt nach der Begrüßung als passionierter Heimwerker. Alles, was Bosch Power Tools für den Do-it-yourself-Gebrauch in Haus und Garten anbietet, darf auch bei ihm zu Hause nicht fehlen. Kein Wunder: Thomas und Bosch sind ein bisschen wie ein altes Ehepaar. Eine Monogamie, die mit dem Eintritt ins Berufsleben vor 35 Jahren begann und zu der man nach wie vor sagen könnte: happy ever after.
Bilderbuchkarriere bei Bosch
Schon mit dem ersten Job konnte sich der gebürtige Münchner seinen Wunsch erfüllen, im Ausland zu arbeiten. Der Diplomkaufmann startete bei Bosch in Italien seine Bilderbuchkarriere, die ihn schnell weit brachte. Für die BSH Hausgeräte GmbH ging es dann nach München, Brasilien und Portugal, wo er als Landeschef sein nächstes Karriereziel erreichte. »Ich wollte immer möglichst autonom arbeiten können. Als Landeschef hat man einen eigenen Markt, kann weitgehend selbstständig entscheiden, ist wie ein kleiner Unternehmer innerhalb der Firma«, erzählt er.
Dann stirbt Thomas‘ schwangere Ehefrau unvermittelt. Der tragische Verlust zieht ihn zurück in seine Heimat. In der Folge übernimmt er die Verantwortung für das europäische Geschäft und wechselnde Regionen: Zentralasien, Afrika, Lateinamerika. Zeitweise führt Thomas mehr als 1800 Mitarbeitende. Dann wechselt er zu Bosch Power Tools, verantwortet zuerst das »blaue Geschäft« mit den Geräten für Profianwender, später den Bereich für Heimwerker, das »grüne Geschäft«. Inzwischen kümmert sich Thomas bei Bosch Power Tools strategisch um das Management der zwei Batterieallianzen und das Private-Label-Geschäft.
»Globales Renommee, Innovationskraft, sympathische Produkte« sind für Thomas die Argumente, weshalb er sich bei Bosch seit 35 Jahren wohlfühlt. Und: »Die Firma ist nicht börsennotiert, sondern gehört zu 94 Prozent der Robert Bosch Stiftung. Ein Großteil des Profits fließt in Projekte zur Völkerverständigung und zur Gesundheitsvorsorge. Ein solches Profil findet man nur bei wenigen Konzernen.« Weltweit beschäftigt Bosch rund 418 000 Mitarbeitende, davon etwa ein Drittel in Deutschland. Auch ein wesentlicher Teil von Forschung und Entwicklung wird hierzulande vorangetrieben. Gerade deshalb steht der Konzern exemplarisch für Qualität »made in Germany«. Als Automobilzulieferer ist Bosch weltweit führend.
Zeitweise führt er mehr als 1800 Mitarbeitende.
Das Ende des perfekten Lebens
»Mein Leben bestand im Grunde aus Erfolg im Beruf, einer glücklichen Ehe, toller Gemeinschaft mit einem großen Freundeskreis und vielen schönen Urlauben«, resümiert Thomas. »Wir planten von Wochenende zu Wochenende: Segeln, Mountainbiken in den Alpen, Grillabende oder rauschende Partys. Wir genossen die Sonnenseiten des Lebens in vollen Zügen.« Ihr bisher unerfüllter Kinderwunsch war »der letzte Schatten auf einem ansonsten perfekten Leben«. Doch auch dieser Umstand schien nach einem kleinen operativen Eingriff gelöst.
An einem herrlichen Sommermorgen sind Thomas und seine Frau, die in Portugal leben, zu Besuch in München. Nach einem Frühstück bei Freunden, die erstaunlicherweise zum exakt selben Geburtstermin ebenfalls ein Baby erwarten, gießen sie noch die Blumen auf dem Grab von Thomas‘ Großmutter, die kürzlich beerdigt wurde. »Wenn ich mal da unten liege, musst du auch meine Blümchen gießen«, sagt Thomas‘ Frau unvermittelt. Als er ihre Worte als Unsinn zurückweist, verneint sie, so etwas gesagt zu haben. Die beiden geraten darüber fast in Streit. Später brechen sie zu einer kleinen Fahrradtour auf. In einem Waldstück verfahren sie sich. Dort wird die sportliche Frau plötzlich schlapp. Thomas vermutet, dass sie etwas Schlechtes gegessen hat oder ihr das warme Wetter zu schaffen macht. Als sie gar nicht mehr kann, schieben sie die Räder. Thomas schlägt vor, dass er zum wenige Hundert Meter entfernten Biergarten vorfährt, um schon etwas zu trinken zu bestellen. Doch auf dem Weg hat er den starken Eindruck, wieder umzudrehen.
Er findet seine Frau am Wegrand nach vorn gebeugt auf einem Baumstamm sitzend. Er setzt sich zu ihr und fragt: »Wie kann es sein, dass es dir auf einmal so schlecht geht?« Sie entgegnet: »Du kannst dir nicht vorstellen, wie schlecht es mir geht.« Und in genau diesem Moment stirbt sie in seinem Arm. Thomas bekommt Panik, aber im nächsten Moment tauchen wie aus dem Nichts eine Krankenschwester und ein weiterer Mann auf. Sie beginnt sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen, er ruft einen Krankenwagen, der innerhalb weniger Minuten vor Ort ist.
Wenig später steht Thomas in der Notaufnahme vor seiner Frau. »Sie lag da, braungebrannt, blaue Augen, weiße Zähne, die dunklen Haare um den Hals – wie Dornröschen, eine bildhübsche Frau. Und ich dachte: Das ist ein schlechter Witz. Ich begriff nicht, was hier gerade passiert war. Als ich sie dann berührte, fühlte ich, dass sie kalt war. In dem Moment wusste ich: Das ist nicht mehr sie, sondern nur noch ihre Hülle. Wie ich die nächsten paar Tage überlebt habe, weiß ich nicht mehr. Nur, dass mich meine Eltern und Freunde unglaublich viel unterstützt haben.«
Eine Obduktion ergibt später, dass Thomas‘ Frau an zwei Gendefekten litt, die für sich genommen harmlos waren, aber in Kombination mit der Schwangerschaft ihr Todesurteil bedeuteten. »Ein befreundeter Arzt, der den Obduktionsbericht für mich gelesen hatte, sagte mir, dass sie unter keinen Umständen zu retten gewesen wäre.«
In genau diesem Moment stirbt Thomas' Frau in seinem Arm.
Ein besserer Plan?
Thomas redet vollkommen geerdet, wenn er von jenem Tag erzählt, der sein Leben komplett umkrempelte. Er hat jegliche Wut und Verbitterung hinter sich gelassen, hat Frieden gefunden – in Gott.
Bis zu jenem Tag hatte Thomas zwar an ein höheres Wesen geglaubt, aber an keinen Gott. In diese dramatische Situation hinein sagte sein christlich geprägter Vater etwas, das Thomas heute als »lebensentscheidend« bezeichnet: »Gott hat das zugelassen. Er ist allmächtig, also hätte er es verhindern können. Ergo muss er einen besseren Plan für dein Leben haben. Entweder du rebellierst gegen ihn und wirst verbittern, oder du fragst ihn, welchen Plan er für dich hat.« In einem wütenden Gebet warf Thomas Gott dann alles vor die Füße und forderte ihn auf, dann wenigstens etwas Besseres aus diesem Scherbenhaufen zu machen.
In der Folge fielen ihm immer mehr Dinge auf, die er nun als Signale Gottes erkannte: Dass er immer wieder mit der Vergänglichkeit des irdischen Lebens konfrontiert war, eine Auseinandersetzung damit aber stets beiseitegeschoben hatte: Zwei Abschiedsträume, die er und seine Frau eine Woche vor ihrem Tod in derselben Nacht geträumt hatten. Die Stimme, die ihn an dem Tag zur Rückkehr zu seiner Frau aufforderte. Mit der Zeit wurde ihm klar, dass er sich ohne den Verlust seiner Frau wohl nie auf Gott eingelassen hätte. »Mein Leben war so perfekt, so voller Befriedigung, dass ich beständig im Jetzt gelebt habe. Hätten wir noch ein Kind bekommen, hätte ich keinen Grund gehabt, mir über Gott Gedanken zu machen.« Doch nun suchte er und fand einen Gott, der eine persönliche Beziehung zu ihm haben wollte und darum in Jesus auf die Welt gekommen war. Im Gebet übergab er ihm sein Leben und fand durch den Glauben ganz neue Erfüllung.
Statt Befriedigung habe ich Frieden gefunden.
Vergebung als Führungsprinzip
Diese Perspektive prägt heute auch Thomas‘ Sicht auf seine Arbeit. »Mein größtes Vorbild in Sachen Führungsstil ist Jesus. Er hat das Prinzip der Servant Leadership perfekt vorgelebt.« Für Thomas bedeutet das, dass er ein sicheres Umfeld schaffen möchte, in dem alle Mitarbeitenden ihre Talente entfalten können. Er versteht seinen Job darin, Hindernisse auszuräumen, Sparringspartner zu sein und Wertschätzung zu geben. »Niemand soll wegen mir eine schlaflose Nacht haben oder nicht gern zur Arbeit kommen.« Ein besonderes Anliegen ist ihm auch das Prinzip der Vergebung. »Jesus hat uns aufgefordert, für unsere Feinde zu beten und denen zu vergeben, die uns Böses getan haben. Seit ich das beherzige, habe ich so gut wie keine Konflikte mehr innerhalb der Firma.«
Überhaupt spielt Gebet für ihn eine zentrale Rolle. »Jeden Morgen beten meine Assistentin und ich um Gottes Segen für die Firma, die Vorgesetzten, Kollegen, Mitarbeiter und alle, die in Verantwortung stehen. Das erfüllt uns selbst mit einem tiefen Frieden, schon vor Beginn der Arbeit«, erklärt Thomas.
Die gute Atmosphäre spürt man sofort, wenn man bei Bosch Power Tools zu Besuch ist: »Das ist ein echt cooler Typ«, ruft uns ein Mitarbeiter im Vorbeilaufen zu, während Thomas für die Kamera posiert. Jeder Mitarbeiter, der an unserem Fotoshooting vorbeikommt, verabschiedet sich mit einem Lächeln und einem freundlichen Gruß in den Feierabend. Thomas kommt einem ein bisschen wie Everybody‘s Darling vor. Er redet ruhig, wirkt authentisch, nahbar, ehrlich interessiert. Von Chefattitüde keine Spur.
Yes, we can!
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»Was mein jetziges Leben fundamental von dem früheren unterscheidet, ist die Ewigkeitsperspektive«, sagt er. »Ich weiß, ich muss in diesem Erdenleben nicht alles optimieren, nicht Millionen anhäufen, nicht den vollkommenen Urlaub oder die perfekte Beziehung haben. Statt der Befriedigung meiner Bedürfnisse habe ich Frieden für meine Seele gefunden. Denn ich weiß: Das eigentliche Leben findet erst nach diesem hier statt, nämlich im Himmel.«
Aus dem Scherbenhaufen ist ein wundervolles neues Leben entstanden. Für Thomas ist das größte Geschenk, dass er noch einmal geheiratet hat und Vater einer heute zwanzigjährigen Tochter ist, die seinen Glauben teilt. Der Bachfan genießt Spaziergänge mit dem Hund in der Natur. Genauso wie die Stille liebt er es auch, unter Menschen zu sein – am besten mit einem guten Essen in einem schönen Garten an einem lauen Sommertag.
Thomas Baader
Seit 35 Jahren arbeitet Thomas für Bosch, zuerst im Bereich Haushaltsgeräte, später bei Bosch Power Tools. Er war in verschiedenen Ländern und Führungspositionen tätig. Heute verantwortet er die Akkuallianzen sowie das Private-Label-Geschäft. Der plötzliche Tod seiner Frau führte ihn zum Glauben. Thomas liebt die Natur, Gemeinschaft und Johann Sebastian Bach. Er ist wieder verheiratet und hat eine Tochter.