Tobias Siebel
Wie beeinflusst die Theologie das Marketing?
Wozu ist unsere Wirtschaft eigentlich da? Um solche Fragen dreht sich die zweite Taler & Talar-Konferenz, die vom 7. bis zum 8. September 2023 im Kloster Volkenroda über die Bühne geht. Wir sprechen mit dem Kopf hinter der Plattform, dem Marketingmanager Tobias Siebel, über Geld und Glauben.
Taler oder Talar, was bevorzugen Sie?
Das «und». Doch im Zweifelsfall kann man nur einem Herrn dienen. Und den sollte man sich gut aussuchen.
Sie haben Theologie studiert. Wieso eigentlich?
Aus Neugier und Interesse – und dem Wissen um die Endlichkeit. Zusammen mit meinem weiteren Fach Germanistik hat mir das Studium große Freude bereitet, wenn man die alten Sprachen einmal ausklammert.
Trotz Bibelkenntnissen sind Sie in die Welt der NGO und Wirtschaft abgedriftet. Liegt Ihnen das Irdische doch näher als das Himmlische?
Die Nachfolge Jesu geschieht bodenständig auf der Erde. Schaut man in den biblischen Kolosserbrief, so scheint eine Trennung von irdisch und himmlisch ziemlich fragwürdig. Wir lesen dort von einem geheimnisvollen Zusammenspiel zwischen Gott und der Welt. Denn dort heißt es beispielsweise, dass »alles« durch Jesus geschaffen ist und durch ihn besteht. Die Spannung zwischen der Welt und dem Reich Gottes müssen wir aushalten – und sie als Kraft nutzen. Wenn wir in der Bibel von einem Happy End lesen, können wir uns auf den Weg dorthin machen und hoffen, dass etwas vom Himmel schon im Hier und Heute spürbar wird.
Wie beeinflusst die Theologie den Marketing-Berater Tobias Siebel?
Gute Theologie durchzieht das Leben in all seinen Facetten, bis in den Berufsalltag hinein. Zudem spielen im Marketing und der Markenführung die tiefen Geschichten, das Unverfügbare und die Sehnsüchte, wichtige Rollen. Da hat man mit einem geisteswissenschaftlichen Hintergrund einen guten Zugang dazu. Die Jesus-Bewegung liefert außerdem die wohl beeindruckendste Marketing-Erfolgsstory der Geschichte.
Der Apostel Paulus führte nebst seiner Tätigkeit als Wanderprediger ein gut gehendes Geschäft als Zeltmacher. Inwiefern ist der Mann eine Inspiration für Sie?
Paulus ist einzigartig. Seine Schriften wirken bis heute und bleiben stets aktuell. Seine erhaltenen Briefe sind für mich eine Inspiration. Paulus hat Theologie betrieben, um der Praxis zu helfen. Ganz konkret und scharfsinnig. Er hat Debatten und Diskurs gesucht, war im Gespräch mit vielen verschiedenen Gruppierungen. Gleichzeitig war es ihm wichtig und auch klar, nicht im Letzten von Menschen abhängig zu sein.
Von außen betrachtet scheint es, als sei in der Wirtschaftswelt der Glaube an das menschlich Machbare grösser als der Glaube ans Göttliche.
Das erlebe ich oft anders. An vielen Orten herrscht eine große Sehnsucht nach gelingenden Beziehungen und ein Bedürfnis nach ganzheitlicher Spiritualität, nach Frieden und Hoffnung. Die Gestaltungskraft des Menschen ist groß. Gleichzeitig werden uns in diesen Zeiten immer mehr die Grenzen aufgezeigt, gerade auch im Business. Die Sinnhaftigkeit, der Purpose, hat im Management lange zu wenig Beachtung gefunden. Da haben wir alle Nachholbedarf. Und wer sucht, ist doch geistlich unterwegs, nicht wahr?
Aus diesem Grund haben Sie die Konferenz Taler & Talar auf grüner Wiese gestartet?
Auf der Wiese steht Gott sei Dank schon ein beeindruckendes Kloster, das mit seinem Programm und der Architektur zu Begegnung einlädt. Ich durfte es im Rahmen eines Beratungsprojektes entdecken und habe den Ort als sehr inspirierend empfunden. Taler & Talar habe ich ursprünglich als Podcast gestartet, doch nach Corona ist der Wunsch nach persönlichem Austausch mit Tiefgang hoch. Deswegen war es mir ein Anliegen, das Konferenzformat zu testen. Wir brauchen den Austausch jenseits etablierter Grenzen. Wir brauchen Formate, die zur Ruhe führen und nicht dem olympischen Prinzip höher, schneller, weiter folgen.
Alle Fäden von Taler & Talar laufen bei Ihnen zusammen. Gab es Momente, in denen Sie das Handtuch werfen wollten?
Natürlich, sehr oft sogar. Es ist viel Arbeit neben dem eigentlichen Beruf – und vor allem: ein Risiko, das man als Veranstalter eingeht. Werden genug Menschen kommen und Tickets kaufen? Das ist bis jetzt noch unklar. Einige Plätze sind noch frei, gleichzeitig entstehen neue Beziehungen. Oft bahnt sich der Weg erst beim Gehen.
Wovon träumen Sie noch?
Es wäre schon großartig, wenn sich Taler & Talar als Konferenz etablieren könnte. Ich wünsche mir, dass unterschiedliche Professionen voneinander lernen und sich ermutigen können. Wir brauchen Mut und Zuversicht für beziehungsorientiertes, ethisches Wirtschaften und Führen. Falls das andere auch so sehen, können wir noch einiges weiterentwickeln und verbessern, weitere Angebote in Kooperationen schaffen.
Tobias Siebel
Zuerst hat Tobias Siebel Theologie und Germanistik studiert, dann stieg er ins Marketing ein, unter anderem leitete er das Fundraising der Hoffnungsträger Stiftung und das Marketing des Ladestationen-Herstellers Compleo Charging Solutions sowie der Fitnessstudio-Kette FitX. Heute berät er Unternehmen und NGOs, die eine starke Marke aufbauen möchten. Im Januar 2022 hat Tobias Siebel den Podcast »Taler & Talar« gestartet, um bald darauf eine echte Konferenz daraus zu machen. Die zweite Konferenz findet am 7.-8. September 2023 im Kloster Volkenroda statt.