Eine Konferenz nicht von dieser Welt

Die Felder Thüringens scheinen endlos, die vereinzelten Dörfchen verlassen. Wer zum ersten Mal nach Volkenroda fährt, beginnt unterwegs daran zu zweifeln, dass der Ort überhaupt existiert – bis er bei der Klosterpforte in Volkenroda ankommt.

Mit etwas Glück begrüsst einen hier Bruder Helmut, bürgerlich Helmut Rosskopf, persönlich. So ergeht es uns, die wir bei Taler & Talar dabei sein wollen – der Business-Konferenz, die Wirtschaft, Sinn und Ethik verbindet. Bruder Helmut personifiziert diese vermeintlichen Gegensätze wie kaum ein anderer. Als Bruder der Jesus-Gemeinschaft hat er ein Unternehmen mit 200 Mitarbeitenden aufgebaut. Und fast nebenbei leitet er das Kloster Volkenroda.

Kapital trifft auf Kontemplation

Klar ist: Bei Taler & Talar trifft die Welt des Kapitals auf jene der Kontemplation. Beide Sphären reichen sich für kurze Zeit die Hand. Und es scheint, als wäre das ganze Kloster genau hierfür errichtet worden. Denn auf dem weitläufigen Gelände verschmelzen die Gegensätze; Alt und Neu, Tradition und Innovation, Kultur und Natur.

Die Fundamente der Klosterkirche gehen auf die Zisterzienser zurück. Schon vor fast 1000 Jahren setzten sie auf vornehme Zurückhaltung. Kein Schmuck sollte die Betenden ablenken. Genau diese Schlichtheit hilft heute Wirtschaftskapitänen, Topmanagerinnen und NGO-Vertretern, sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen – weg von Zahlen und Massnahmen, zurück zum Warum, zur »Raison d’être«. Das ist nicht selbstverständlich.

Wunder von Volkenroda

Beinahe wäre Volkenroda nämlich in Vergessenheit geraten. Das DDR-Regime plante, den Ort dem Erdboden gleich zu machen. Zu Beginn der Neunzigerjahre verkam die Kirche zur Ruine und der Landstrich wirkte wie ausgestorben. Dann begann das »Wunder von Volkenroda«: Die evangelische Jesus-Bruderschaft aus dem hessischen Gnadenthal erwarb die Anlage und restaurierte sie Stein für Stein.

2001 landete sie einen Coup: Sie liess den Christus-Pavillon hierherschleppen. Das mächtige Konstrukt aus Stahl und Glas wurde einst für die Expo 2000 in Hannover zusammengeschweisst. Heute zieht es Pilger und Architekturbegeisterte gleichermassen magnetisch an.

In diesem modernen Tempel führt TV-Moderator Tim Niedernolte während Taler & Talar mit Charme und Tiefgang durch das Programm und übergibt das Mikrofon an die Referenten – vom Windenergie-Pionier Fred Jung über den Finanzprofessor Thorsten Hens bis zur Unternehmensberaterin Ana Hoffmeister. 

Kontrapunkt zur Oberflächlichkeit

Damit die Konferenz ihr Versprechen einlösen kann, unter der Oberfläche zu schürfen, ist die Teilnehmerzahl auf 120 begrenzt. Die Inspirationen aus dem Plenum werden dann in der Pause beim zweiten Ritual – neben dem morgendlichen Abendmahl – vertieft: dem Kaffeegenuss an der Bar von Maestro Fynn Campell, Geschäftsführer der Premium-Kaffeerösterei COFYMI. Immer nach dem Motto: Was man sich im Kloster anvertraut, bleibt im Kloster. Auch dann, wenn daraus Ideen entstehen, die weite Kreise ziehen.

»In unserer Wirtschaftswelt geht es um Lärm und Größe. Wir wollen dazu einen Kontrapunkt setzen, Substanz und Tiefe bieten. Bei uns soll man sich auf Augenhöhe begegnen und gemeinsam weiterdenken«, sagt Tobias Siebel. Er ist selbstständiger Marketingmanager und Kopf und Herz der Plattform.

Ursprünglich aus einem Podcast entstanden, hat der Tausendsassa Taler & Talar schon zum dritten Mal auf die Beine gestellt. Und vom 3. bis 5. September 2025 sollen die rastlosen Akteure der Businesswelt wieder einen Reflexionsstopp in Volkenroda einlegen.

Während wir über Wiesen und Wälder zurückrattern, haben wir Zeit, die Eindrücke zu verarbeiten. Wie viele andere Besucherinnen und Besucher spüren wir: Wer Taler & Talar verstehen will, muss dabei gewesen sein. Sehen wir uns nächstes Jahr?