Nuwo
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Lisa Rosa Bräutigam

Auf ins Risiko!

Lisa Rosa Bräutigam gab ihren Lehrerberuf samt Verbeamtung auf Lebenszeit auf, um zu gründen. Heute unterstützt ihr Start-up Nuwo namhafte Kunden dabei, ihren Mitarbeitenden stylishe und gesunde Arbeitsplätze zu Hause einzurichten.

Simon Jahn
Simon Jahn
8 min

Sollte es das jetzt gewesen sein? Ungläubig starrte Lisa Rosa Bräutigam den Mann an, der ihr gegenübersaß. Sie fühlte, wie sich ein großes Loch vor ihr auftat und sie hineinfiel. Jahrelang war sie zielstrebig ihren Weg gegangen und hatte alles hineingegeben: Ihr zweites Staatsexamen nach dem Referendariat hatte sie mit einem Schnitt von 0,75 abgeschlossen und so eine gute Stelle als Grundschullehrerin in einer attraktiven Region ergattert. Nach drei Jahren als Lehrerin in den verschiedenen Klassenstufen ging sie in die Lehrerausbildung und fungierte als Mentorin für angehende Lehrende. Schließlich schaffte sie es sogar zur stellvertretenden Rektorin, nachdem sie sich für die Prüfung zur Verbeamtung auf Lebenszeit noch einmal richtig reinhängte, um eine möglichst hohe Bewertungsstufe zu erreichen. Mit nur 28 Jahren hatte sie dann das erreicht, wovon viele träumen: Einen Spitzenjob, der ihr Spaß machte, ein super Gehalt und dazu absolute Sicherheit. Doch für Lisa Rosa Bräutigam entpuppte sich das nun als Sackgasse. Sie fragte ihren Vorgesetzten im Schulamt, wie es denn nun weitergehe. »Darüber können wir uns dann am Ende Ihrer Karriere unterhalten«, war die Antwort, die ihr den Boden unter den Füßen wegzog.

Mit 28 hatte sie erreicht, wovon viele träumen.

Dem Ansporn folgen

Schon mit fünfzehn bewegte ihr erster Job Lisa Rosa Bräutigam dazu, Lehrerin zu werden. Sie gab Hausaufgabenbetreuung für Kinder mit Migrationshintergrund. »Da habe ich gesehen, dass Bildungskarrieren ganz oft an Sprachbarrieren scheitern«, erzählt sie. »Die ersten zwei Grundschuljahre sind dabei entscheidend.« So wuchs in ihr der Wille, als Grundschullehrerin genau da zu investieren. 

Das hatte Sie nun sechseinhalb Jahre getan, als die starren Strukturen des Staatsdienstes sie plötzlich ausbremsten. »Mein Tätigkeitsbereich hätte sich nicht mehr erweitert. Und die Aussicht, für den Rest meines Berufslebens immer zu wissen, was in den nächsten Wochen, Monaten, Jahren kommt, nahm mir jegliche Motivation«, so Bräutigam. Bisher hatte es nach jedem erreichten Ziel immer neue Herausforderungen gegeben, die sie mit Freude annahm und meisterte. Und auch wenn sie sich dafür gegen den eindringlichen Rat ihrer geliebten Familie stellen musste – der Vater als Beamter bei der Bahn, die Mutter als Winzermeisterin in einem Weinbauinstitut hatten beide sehr sichere Jobs –, so wusste sie doch schon bald, dass sie dem Ansporn, sich weiterzuentwickeln, neues Terrain einzunehmen und Lösungen für Probleme zu finden, die noch keiner gelöst hat, nicht in so jungen Jahren schon absagen wollte.

Risiko statt Sicherheit

Der erste Lockdown im Zug der Coronapandemie brachte ihr dazu einen zündenden Gedanken: Homeoffice as-a-Service. Als Lehrerin war es für sie Normalität, einen Teil ihrer Arbeit zu Hause zu erledigen. Doch sie merkte schnell, dass viele aus ihrem Bekanntenkreis Schwierigkeiten hatten, sich in ihrer Wohnung ein gutes Arbeitssetting einzurichten. »Ein normaler Mitarbeitender würde sich niemals einen ergonomischen Schreibtischstuhl anschaffen. Man geht ins Möbelgeschäft und kauft ein Produkt, das man dort vorfindet. Diese Produkte haben jedoch aus gutem Grund keine Arbeitsstättenzertifizierung und sind für einen Acht-Stunden-Arbeitstag nicht geeignet. Wirklich gesund erhaltende Produkte kosten aber so viel, dass sich niemand diese Möbel für den Privathaushalt leisten würde«, umreißt Bräutigam das Dilemma. So kam ihr die Idee, Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Mitarbeitenden mit gesunden und schönen Arbeitsplätzen auszustatten. »Denn bei den Firmen liegt letztlich die Verantwortung. Der Mitarbeiter kann den Einfluss eines gut eingerichteten Arbeitsplatzes auf seine Gesundheit und seine Produktivität in der Regel gar nicht abschätzen.« Wie bei den Grundschülern motivierte sie auch bei dieser Idee die Aussicht, Menschen eine Verbesserung für ihren Alltag zu ermöglichen. »Zudem reizte es mich, eine ganz neue Branche zu entdecken und mit dem unverbrauchten Blick von außen innovative Lösungen zu finden.« Also hängte sie ihre Verbeamtung auf Lebenszeit an den Nagel und setzte mit der Gründung von Nuwo 2021 statt auf Sicherheit auf volles Risiko.

Ich habe viel gelernt – auch durch Schmerz und Verzicht.

Vom Rückschlag motiviert

»Das erste Geschäftsmodell ist nach einem halben Jahr krachend gescheitert«, verrät Bräutigam. »Der Büromöbelmarkt ist sehr konservativ und noch sehr analog ausgerichtet. Es dauert lange, die verkrusteten Strukturen aufzubrechen.« Entmutigen ließ sie sich davon aber nicht. Nach wie vor war sie von der Grundidee überzeugt. Der Rückschlag spornte sie vielmehr an, weiterzudenken: Was kann ich daraus lernen? Wie könnte es anders, besser funktionieren? Sie musste neue Wege finden, Partnerschaften aufbauen, Rechtsfragen klären, netzwerken. »Ich habe dabei sehr viel gelernt, auch durch Schmerz und Verzicht. Aber ich sehe das nicht als Bürde. Nuwo ist mein Baby«, sagt sie. »Selbst wenn es nach den ersten zwei Jahren mit vielen Pannen und Rückschlägen nicht mehr weitergegangen wäre, würde ich das nicht als verlorene Zeit betrachten, denn ich habe unheimlich viel gelernt und mich in dieser Zeit persönlich weiterentwickelt.«

Weitergegangen ist es aber mit dem »Baby«, und wie: Nach rund zwei Jahren ging das Start-up in die Seed-Finanzierung – und sammelte am Ende sogar mehr ein, als erhofft. Mit satten 2,75 Millionen Euro schloss Nuwo die Runde ab. Heute hat Lisa Rosa Bräutigam nicht nur zwei Co-Gründer an ihrer Seite. Insgesamt beschäftigt das Start-up fünfzehn Mitarbeitende, hat zwei Standorte in Dortmund und Berlin und als Kunden namhafte Unternehmen gewonnen wie SAP, reBuy oder den US-amerikanischen IT-Dienstleister Cognizant, der rund 300 000 Mitarbeitende weltweit beschäftigt und für sein Sponsoring in der Formel 1 bekannt ist. 

Die Zukunft ist hybrid

Nuwo ist weit mehr als nur ein Dienstleister für das Mieten, Leasen oder Kaufen von Büromöbeln. Das Start-up bietet eine kuratierte Auswahl an Bürostühlen, Schreibtischen und Arbeitsleuchten hochwertiger Marken und legt dabei besonderen Wert auf Design, Ergonomie und Nachhaltigkeit. Diese Einrichtungsgegenstände können Unternehmen ihren Mitarbeitenden mittels eines individuell zusammengestellten und gebrandeten Onlineshops zur Auswahl zur Verfügung stellen. Partnerfirmen von Nuwo sorgen für Lieferung, Aufbau und gegebenenfalls auch Reparaturen des Mobiliars. Dabei kümmert sich Nuwo auch darum, dass die Arbeitsplätze bei den Mitarbeitenden rechtssicher eingerichtet werden. Das Management des gesamten Prozesses läuft über ein eigens entwickeltes Dashboard.

Gestartet mit dem Heimbereich kümmert sich Nuwo seit 2023 auch um Officelösungen. »Wir glauben zu hundert Prozent an die hybride Arbeitswelt, an das Zusammenspiel aus Arbeit zu Hause, wo du an einem professionellen Arbeitsplatz produktiv und selbstbestimmt schaffen kannst, und dem Office, wo du in einem agilen, kommunikativen Workspace zusammenkommst, mit Fokus auf Austausch, Teamarbeit und Innovation«, sagt Bräutigam. Hier hat die Gründerin besonders Telefon- und Meetingboxen und sogar Angebote für den Outdoorbereich im Blick. Dafür vernetzt sich Nuwo mit Innenarchitekten und Planern, um bestmögliche Arbeitsatmosphären in modernen Großraumbüros zu schaffen. Denn egal, ob Homeoffice oder Büro: Am Ende geht es dem Start-up immer darum, den Mitarbeitenden ein Umfeld zu schaffen, in dem sie gerne, gesund und sicher ihrem beruflichen Tätigkeitsfeld nachgehen können. 

Ich bin dankbar für den Traum, den ich lebe.

Unternehmen müssen umdenken

Mit der Nuwo Academy setzt sich die Firma nebenbei auch wissenschaftlich mit Themen rund um hybrides Arbeiten auseinander, um Kunden beratend zu begleiten. So will Bräutigam mehr Bewusstsein dafür schaffen, wie wichtig und lohnend ein schöner und gesunder Arbeitsplatz ist. In einer gemeinsamen Studie mit einer Universität kamen sie zu einem erstaunlichen Ergebnis: Ein gutes Set-up reduziert die Wahrscheinlichkeit, psychische Probleme zu erleiden, um fünfzig Prozent. »Das hat mich echt schockiert!«, sagt Bräutigam. »Es zeigt, welchen enormen Einfluss Arbeitsplatz, -umgebung und -atmosphäre auf die Mitarbeitenden haben. Hier muss in den Unternehmen ein Umdenken stattfinden.« Bisher hätten viele Firmen nur den Kostenfaktor im Blick. »Aber ein guter Arbeitsplatz ist eben kein Benefit. Jeder Cent, der in Ergonomie und professionelle Arbeitsplatzgestaltung gesteckt wird, zahlt sich aus – in Produktivität, Mitarbeiterbindung und Einsparungen hinsichtlich Gesundheitsausfällen.« Gerade in Zeiten von hoher Mitarbeiterfluktuation und Fachkräftemangel sei dies das Gebot der Stunde. »Ein guter Arbeitsplatz ist nie so teuer, wie neue Talente über einen Headhunter zu rekrutieren und einzuarbeiten«, führt sie aus.

Ganz im Hier und Jetzt

Als Gründerin ist es mit dem Wellbeing natürlich so eine Sache. Man kann sich schlecht ausklinken, wenn man gerade etwas aufbaut. An Work-Life-Balance war auch bei Lisa Rosa Bräutigam in den ersten zweieinhalb Jahren nicht zu denken. »Ich habe meinen Schritt aus dem Beamtenverhältnis in die Selbstständigkeit trotzdem nicht eine Sekunde bereut«, sagt sie mit einem warmen Lächeln, das sie eigentlich permanent begleitet, wenn sie über Nuwo spricht. »Ich liebe, was ich mache!« Im vergangenen Jahr hat sie zum ersten Mal wieder eine Woche Urlaub gemacht und ist komplett offline gegangen. »Es ist ein Lernprozess zu erkennen, dass es auch ohne einen selbst laufen kann. Aber inzwischen kann ich das.« Auch ihr morgendliches Work-out hat sie wieder fest in den Alltag integriert. 

Aus dem Gröbsten ist Bräutigams »Baby« also wohl raus. »Ich bin gestartet, um es Unternehmen einfach zu machen, Mitarbeitenden eine gesunde Arbeitsumgebung zu Hause zu ermöglichen. Und das ist uns gelungen: Es ist günstig und managebar«, zieht sie ein Zwischenfazit. Dennoch befinde sich Nuwo nach wie vor in der Aufbauphase. Der Gedanke, ob es irgendwann vielleicht wieder an der Zeit sein könnte, die Zelte abzubrechen, um berufliches Neuland einzunehmen, hat sich aber trotzdem schon mal eingeschlichen. Eine Antwort darauf hat sie noch nicht. »Ich lebe gerade sehr im Hier und Jetzt und bin einfach nur dankbar für den Traum, den ich aktuell lebe, für die Reise, die ich in den vergangenen drei Jahren unternehmen durfte.«

Lisa Rosa Bräutigam

Lisa Rosa Bräutigam

Mit 15 gab sie Kindern mit Migrationshintergrund Nachhilfe, mit 28 war Lisa Rosa Bräutigam schon stellvertretende Grundschulrektorin und verbeamtet auf Lebenszeit. Doch sie entschied sich zu gründen. Mit Nuwo hilft die 35-Jährige heute Arbeitgebern dabei, ihre Mitarbeitenden mit gesunden und stylishen Arbeitsplätzen auszustatten. 2023 sammelte das Start-up in seiner Seed-Finanzierungsrunde 2,75 Millionen Euro ein. Bräutigam lebt in Berlin.