Sander Weeteling
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Wouter Droppers

Bitte vom Gas runter!

Wouter Droppers brauchte etwas Zeit, bis sein Leben auf eine gute Spur kam. Dann aber setzte er zum Überholen an und machte als Manager in Autokonzernen Karriere. Bis er merkte, dass er sich verfahren hatte.

Daniel Wahl
Daniel Wahl
9 min

Ein gefühltes halbes Leben, weil so temporeich und kraftvoll wie deren Wagen, arbeitete der Niederländer Wouter Droppers als Direktor verschiedener Händler für den Volkswagen-Audi-Konzern. Das andere gefühlte halbe Leben als Direktor von Handelshäusern für Volvo, dem Auto mit den starken Kanten und dem weichen Kern. Es war ein Leben harter Arbeit in zwei Unternehmen unterschiedlichster Kultur, verschiedenem Spirit, was sich in deren Produkt spiegelt. Wouter Droppers blieb in beiden Konzernen aber immer auf der Überholspur – immer schneller, immer nach oben, immer an den Zapfsäulen des Erfolgs: Leistung bringen, Anerkennung tanken. 

Ein Chef hat mir Werte vorgelebt. Das hat einen Kurswechsel ausgelöst.

Morgen beginnt mit Lektüre

In seinem dritten halben Leben – und das ist heute – ist der Automensch Präsident von »Europartners«, der europäischen Bewegung von führenden Wirtschaftsleuten und christlichen Unternehmern. Sein Antrieb ist ein ganz anderer und kommt jeden Morgen aus dem »Buch des Lebens« – so nennt Droppers die Bibel. Vor dem Ferienbeginn liegt die Frage dennoch auf der Hand: Welchen Wagen fahren Sie denn, wenn es von Holland nach Südfrankreich in den Urlaub geht, Herr Droppers?

Die Antwort kommt nicht wie aus der Pistole geschossen. Würde er heute dem Automobil den Vorzug geben, das von den Förderbändern des Konzerns tropft, der sich offiziell der »Leidenschaft für den Antrieb« verschrieben hat? Oder jenem, der unter die Karosserie seiner Produkte »Komfort und Nachhaltigkeit« hineingesteckt hat? Droppers zögert und sagt dann: »Volvo!« Wegen seines »Way of Drivings«, weil er weniger »geboostet« ist, mehr »relaxed«, wie sich der Niederländer ausdrückt. 

Es könnte sich bei dieser Entscheidung für das familiärere Auto auch um eine Alterserscheinung handeln. Droppers steht kurz vor der Sechzig, ist Mentor und Trainer, hält Vorträge, berät, unterstützt und schreibt Bücher. Er weiß zwar, dass er immer noch auf die Tube drücken kann. Aber er hat auch das Gefühl der Gelassenheit schätzen gelernt. Und das überträgt sich auf den Fahrstil. 

Volvo – eine Lektion fürs Leben

Bei Droppers Autowahl dürfte jedoch ein dritter Faktor ausschlaggebend gewesen sein: der Respekt für seinen Vorgesetzten bei Volvo, der ihm mehr christliche Werte vorgelebt hatte, als alle Kadermitglieder zuvor, die ihm begegnet waren. Da war ein Mensch, der seinen Führungsstil bewusst reflektierte und Droppers zurückpfiff, als er Volvo-Mitarbeiter feuern wollte, die er als zu wenig fähig eingestuft hatte. »Bei Volvo habe ich wichtige Lektionen fürs Leben von integren Menschen erhalten. Ein Nichtchrist hat mich das gelehrt, was ich in den Kirchenbänken nicht mitgekommen habe«, sagt Droppers. Und mit der Frage nach dem Autotyp für die Fahrt in den Süden sind wir mitten in dem Thema drin, das den Coach von Führungskräften heute so sehr beschäftigt: »Werte-
Strategie«, eine Unternehmensführung nach biblischen Grundsätzen. Darüber hat er inzwischen ein Buch geschrieben.

Wouter Droppers ist in einer christlichen Familie aufgewachsen. Er war der Rebell in der Familie, ein Junge, der in der Schule nicht gerne gelernt hatte. Die Eltern, schon leicht verzweifelt, ob aus ihrem Sprössling noch etwas wird, schickten ihn schließlich an eine Privatschule. Dort wuchs das Interesse am Automobil, das mit seinem Motor alle Sorgen verbrennen kann und mit dem Benzin den Dampf der Freiheit und Unabhängigkeit in das Leben eines jungen Menschen pustet. Droppers startete seine berufliche Laufbahn mit achtzehn Jahren bei einem großen Händler von PKW-Ersatzteilen in den Niederlanden. Und er arbeitete sich empor, bis er nach mehreren erfolgreichen Jahren in Managementpositionen gebeten wurde, Vorstandsmitglied im Unternehmen zu werden.

Der Erfolg brachte ihn weiter zu Volkswagen und Audi, wo Werte wie Leistung und Antrieb hohen Stellenwert haben. »Dieser Konzern hat zwar große Skandale eingefahren, musste aber zumindest nicht an die Chinesen verkauft werden, wie der bravere und zurückhaltende Volvo-Konzern«, bemerkt Droppers lakonisch. »Doch bei VW habe ich meine Spur verloren«, relativiert er sogleich.

Ich habe meine Frau nur für das geliebt, was sie mir gab.

Neben der Fahrbahn

Dass er neben die Fahrbahn geraten war, bemerkte Wouter Droppers erst, als er eines Abends nach Hause kam und seine Frau ihm sagte, sie wolle sich scheiden lassen, würde er so weiterfahren. Es rüttelte ihn auf wie bei einer Fahrt über eine unbemerkte Bodenwelle. Er sei doch keine schlechte Person. Seine beiden Kinder mochten ihn, sie umarmten ihn. Er nahm sich regelmäßig Zeit für die Familie und besuchte mit ihr die Restaurants.

In der Ehetherapie zeigte sich der Stachel, der die Beziehung verwundet hatte. »Du fragst mich nie, du entscheidest einfach«, warf ihm seine Frau vor, und Droppers bemerkte, dass der Stachel noch viel tiefer saß: »Ich habe meine Frau bloß geliebt für das, was sie mir gab.« Eigentlich sei sein Leben nach diesem Prinzip ausgerichtet gewesen: Die Kunden waren bloß gut, weil sie für Profit sorgten, die Freunde, weil sie sein Leben inspirierten, die Frau, weil sie ihm den Status und das familiäre Umfeld gab. »Ich war an all ihnen nicht wirklich interessiert; ich werde in der Einsamkeit landen«, resümiert Droppers. Dann zog er die Reißleine bei Volkswagen.

Droppers suchte sich einen Handelsbetrieb, der nach anderen Werten ausgerichtet war und landete bei den Schweden. Volvo hatte seinen Fokus auf Nachhaltigkeit und Qualität gerichtet. Parallel dazu entschloss er sich, nebenberuflich ein Theologiestudium anzupacken, um seinem Glauben einen Boden zu geben. »Wir wachsen nicht, indem wir die Konkurrenz ausschalten, um den Marktanteil zu vergrößern«, lernte er in dieser Zeit. Aber er erinnert sich auch an den Moment, als er die Spitzenposition in den Marktanteilsberichten feierte. Dieser Erfolg war jedoch nicht in erster Linie auf die eigene Leistung zurückzuführen, sondern er war die Folge der schlechten Leistung und des Versagens der Konkurrenten. »Ich entdeckte in meinem Herzen, dass ich ihr Scheitern und ihren Untergang feierte, anstatt unseren eigenen Erfolg und unsere Verbesserungen«, erklärt Droppers. Es war eine weitere große Lebenslektion, aber nicht die letzte.

Unterwegs als Werte-Stratege

Als erfolgreicher Manager, der nebenbei ein Theologiestudium abgeschlossen hatte, war Droppers profiliert, den Verein CBMC in den Niederlanden zu präsidieren. Der Verein ist eine Bewegung von und für Unternehmerinnen und Unternehmer, die Geschäftsleuten hilft, »Jesus zu entdecken und nach dessen Werten zu leben«. Droppers setzte sich 2007 ans Steuer des Vereins, entwarf Strategie- und Marketingpläne und setzte Ziele. Doch diesmal funktionierte nichts. 

»Immer hatte ich meine Ziele erreicht, aber als ich für Gott zu arbeiten begann, konnte ich meine Ziele nicht erreichen«, erinnert er sich. Das machte ihm Angst. Was würden die Leute von ihm denken?

Droppers zog sich in ein Kloster zurück, um zu fasten und auf Gott zu hören. »Gott, warum segnest du mich nicht, jetzt wo ich für dein Reich arbeite?«, betete er. Und Gott habe ihm in den Gedanken sehr deutlich geantwortet und gesagt: »Verfolgst du meine Ziele oder wieder deine eigenen?«

Eine Schlüsselstelle für eine christliche Führungsethik zieht Wouter Droppers heute aus dem Psalm 127 in der Bibel, der ihn damals angesprochen hatte: 

»Wo der Herr nicht das Haus baut, ist die Arbeit der Bauleute vergeblich. Wenn der Herr die Stadt nicht beschützt, ist es vergeblich, sie mit Wachen zu umgeben. Es ist vergeblich, vom frühen Morgen bis in die späte Nacht hart zu arbeiten, immer in Sorge, ob ihr genug zu essen habt. Denn denen, die Gott lieben, gibt er es im Schlaf.«

Gott, warum segnest du mich nicht, obwohl ich für dich arbeite?

Unterwegs als Werte-Stratege

Diese Worte beschrieben genau Droppers Leben. Morgens früh aufstehen, spät ins Bett gehen. Viel harte Arbeit mit wenig Erfolg. Als er dies erkannte, ließ Droppers bei CBMC kurzerhand zahlreiche Events streichen. Er habe verstanden, sagt er, dass Gott mehr tun kann, wenn wir ihn involvieren und ihn um seinen Rat fragen, bevor wir handeln. Es gehe darum, uns Zeit zu nehmen, auf ihn zu hören. »Gott denkt, der Mensch lenkt«, lautet die Kurzformel.

Es wurde bei CBMC ein Jahr mit weniger Einnahmen, weniger Mitarbeitern, weniger finanziellen Mitteln. Dennoch fragten mehr Leute nach Rat und nach dem Weg zu Gott. Was Droppers bei CBMC gelernte hatte, setzt er heute bei Europartners um. 

»Wer ein Warum hat, für das er leben kann, kann fast jedes Wie ertragen«, schrieb der Psychiater Viktor Frankl. Als Auschwitz-Überlebender wusste er genau, wovon er sprach. Er erkannte, dass nicht die Stärksten überleben, sondern jene, die einen Sinn in ihrem Leben sehen. Droppers bezieht sich auf Frankl, wenn er sein Leben im Rückspiegel beschreibt. Viele Jahre habe er fürs Automobil gearbeitet und sich dabei leer und sinnlos gefühlt. Heute kenne er seine Aufgabe: Unternehmer und Businessleute zu Gott führen und zu »Botschaftern für Christus« zu machen: »Meine Lebensgeschichte und meine Berufserfahrung hatten mich darauf vorbereitet, diese Rolle auszufüllen«, sagt er.

Erfolg – neu definiert

Die Definition von Erfolg und Wohlergehen hat sich für Wouter Droppers grundlegend geändert. »Früher habe ich hart für den geschäftlichen Erfolg, das Geld und das Ansehen gearbeitet. Jetzt definiere ich Erfolg anders – nämlich der Mensch zu werden, den Gott aus mir machen möchte. Und Wohlergehen als die Fähigkeit, aus Gnade zu leben.« Die Kernfrage nach Droppers lautet: Fördern wir das Wohlergehen der Menschen auf dieser Welt, uns selbst eingeschlossen, oder schaffen wir durch die Art und Weise, wie wir Geschäfte machen, mehr Spannungen für die Menschen und die Gesellschaft?

Sander Weeteling
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Anerkennung ist die falsche Antriebskraft für eine Karriere. Das hat Wouter Droppers nach 35 Jahren in Führungspositionen gelernt – und gibt er an andere weiter.

Wer diese Eigenschaften entwickelt, geht in Führung ohne Karrierestress.

  1. Vertrauenswürdig
    Vertrauen ist die Währung der Geschäftswelt: Gefragt sind Partner, die langfristig zuverlässig sind. Integrität verschafft einen Vorsprung auf dem Markt und trägt zur Effektivität und Effizienz bei.

  2. Visionär
    Wer mit einem Ziel vor Augen lebt und arbeitet, kann sehen, wie Träume und Ziele verwirklicht werden. Eine gute Unternehmerin, ein guter Unternehmer lässt sich von der Zukunft bestimmen.

  3. Motiviert
    Die Antwort auf die Frage, »warum« wir Dinge tun, treibt die Menschen an. Es ist deshalb wichtig, seine tiefere Motivation zu erkennen. Sie ist kein Strohfeuer, sondern führt zu einer gefragten Tugend: Ausdauer!

  4. Weise
    Weisheit ist die Erfahrung und die Fähigkeit, Umstände und Menschen sowie den Markt zu beurteilen und zu verstehen. Weisheit hilft, das Timing und die richtigen Partner zu finden, so wie die Prioritäten zu setzen.

  5. Wissbegierig
    Eine gute Unternehmerin, ein guter Unternehmer beobachtet aufmerksam, liest viel und will Dingen auf den Grund gehen. Diese Neugier hilft ihm, neue Produkte und Dienstleistungen für die Gesellschaft zu entwickeln.

  6. Mutig
    Trotz Unsicherheiten wagt sich die Unternehmerin, der Unternehmer, Wege einzuschlagen, die andere nicht wählen würden. Mut bedeutet, etwas Richtiges zu tun, auch wenn es Schwierigkeiten mit sich bringen kann.

  7. Kommunikativ
    Offene, respektvolle und regelmäßige Kommunikation gewinnt die Herzen aller Beteiligten. Sie inspiriert und gewinnt Menschen für neue Ideen. Und es gilt: Keine Kommunikation sagt auch schon sehr viel.

  8. Humorvoll 
    Wer führen möchte, sollte zuvorkommend sein. Das ist ein Schlüssel zu guten Beziehungen am Arbeitsplatz – es gibt aber noch einen weiteren: Humor ist hilfreich, um Schwierigkeiten und Streitereien zu überwinden.

  9. Loyal
    Gute Unternehmerinnen und Unternehmer bleiben sich selbst und ihren Zielen treu. Sie schützen ihre Vorhaben und bleiben geerdet. Es sind Menschen, die Rückgrat zeigen und ein Ziel vor Augen haben.

  10. Zupackend
    Unternehmerinnen und Unternehmer liefern statt zu lafern. Sie verstricken sich nicht in Theorien, sie setzen sie in die Tat um. Träume und Überzeugungen kommen in der Arbeit und Kreativität zum Ausdruck.

Wouter Droppers

Wouter Droppers

Vom Verkäufer von Autoteilen schaffte es Wouter Droppers (60) an die Spitze eines der größten Automobilhandelsunternehmen in den Niederlanden. Heute ist er europaweit gefragt als Coach für Führungskräfte. Zudem leitet er die Organisation Europartners. Sozusagen nebenbei schloss er ein Studium der Theologie ab. Wouter lebt, was er in seinem Buch »Die Werte-Strategie« schreibt. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.