Roland Juker
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Daniel Schöni

Darf man so naiv in Geschäfte einsteigen, Herr Transporteur?

500 Riesenbrummer von Daniel Schöni fahren auf Europas Straßen – immer mehr davon mit Biodiesel aus Schlachthofabfällen. Der Unternehmer verrät, warum er die härtesten Entscheide oft gegen alle Vernunft durchboxt.

Daniel Wahl
Daniel Wahl
9 min

Herr Schöni, Ihr Firmenclaim heißt »Yes, we can«. Wer muss wem Copyright-Rechte bezahlen: Sie Barack Obama oder der frühere US-Präsident Ihnen?

Er mir! Schon im Jahr 2003 fuhren unsere Lastwagen mit diesem Claim auf den Straßen. Nachdem Obama gewählt worden war, hat mich ein US-Senator ziemlich autoritär aufgefordert, Obamas Slogan werde missbraucht oder ich solle ihm gefälligst die Einwilligung des Wahlkampfteams vorlegen und den Nachweis erbringen, dass ich den Slogan verwenden dürfe. Wir haben ihnen dann Zeitungsartikel und Fotos zugesandt, die belegen, dass wir »Yes, we can – Schöni auf der Überholspur« längst verwendet hatten. Wir antworteten gleich keck: Im Jahr 2003 sei sein Chef völlig unbekannt gewesen. Wenn schon, müssten wir vom Wahlkampfteam etwas verlangen. Der US-Senator begann, sich in einem zweiten Schreiben lang und breit zu erklären.

»Yes, we can« ist ein selbstbewusster Brand für eine Firma aus der zurückhaltenden Schweiz. Und dann erst noch in Englisch.

Er widerspiegelte unsere Arbeitsweise »Geht nicht gibts nicht« in drei Worten in der Weltsprache Englisch. Damals gefiel mir das sehr. Unsere Werbeagentur legte uns zwar zwei A4-Seiten Vorschläge für verschiedene Claims vor, sie dachte, »Yes, we can« funktioniere nicht. Aber der Claim reflektierte irgendwie unsere DNA und war super kurz. Wenn wir Leuten sagen, »wir sind die mit dem >Yes, we can!< auf den Lastern«, antworten diese oft: »Ah, diese LKWs kennen wir natürlich.« Heute ist der Begriff gesetzt, die Bekanntheit ist groß.

Sie übernahmen die Firma im Jahr 2002 und haben den Fuhrpark von 36 Lastwagen auf über 500 vergrößert. Wie viele schlaflose Nächte hatten Sie in den vergangenen siebzehn Jahren?

Ich bin mit einem extrem guten Schlaf gesegnet. Sie sprechen aber meine Herausforderungen an: Mein Vater starb im Jahr 2000 bei einem Unfall und 2001 teilte mir mein Bruder mit, er wolle die Transportfirma verkaufen, die er 1997 übernommen hatte. Geld hatte ich keines, da ich kurz zuvor die Foodsparte meiner Eltern gekauft hatte. Ich übernahm die Firma zu hundert Prozent fremdfinanziert. In sieben Jahren kaufte ich für insgesamt 65 Millionen Franken Firmen zusammen und investierte in derselben Zeit weitere 56 Millionen Franken in neues Rollmaterial. Die schwierige Phase begann, als die Firma eine Größe erreichte, bei der ich erkannte, dass ich diese nicht mehr einfach allein managen konnte. Ich hatte es verpasst, rechtzeitig ein gutes Team aufzubauen. Es gab keine Bereichsleiter und Verantwortungsträger. Als dann mein Bruder 2009 ausstieg, verschärfte sich die Situation.

Ich hatte zum ersten Mal im Leben das Gefühl, dass eine innere Stimme zu mir spricht.

Das ist wohl ein Kennzeichen jeder schnell wachsenden Firma.

Richtig. Darunter leiden wir heute noch. Die Strukturen mag man oft nicht so schnell ausbauen, wie die Firma wächst. Zunächst freute ich mich noch, ein hierarchisch flaches Organigramm auszuweisen und keinen Wasserkopf führen zu müssen. Dann begann ich, die Arbeit vor mir herzuschieben und Brände zu löschen. Das war heftig. Aktuell besteht unser größtes Manöver darin, ein vom Inhaber mit Pioniergeist und Pragmatismus geführtes Unternehmen zu einem von einer Geschäftsleitung geführten Unternehmen zu transformieren. 

Sie hatten null Eigenkapital bei der Übernahme der Firma. Was kennzeichnete den Weg Ihrer Entscheidungsfindung?

Mein heutiger Finanzchef war externer Treuhänder der Firma Schöni, als sie noch von meinen Eltern geführt wurde. Mein Bruder sandte ihn zu mir, um mir das Erstkaufsrecht zu unterbreiten. 27,5 Millionen Franken sollte ich bringen. Ich schluckte zunächst. Aber dann hatte ich einen übersinnlichen Eindruck, eine Art Abmachung. Es müssten drei Dinge in Erfüllung gehen, damit ich dem Kauf zustimmen könnte: Die Bank müsste den Betrag vorfinanzieren, was nicht selbstverständlich ist. Dann sollte der Treuhänder seinen Arbeitgeber verlassen und mein Finanzchef werden. Drittens brauchte ich das volle Einverständnis meiner Frau – der schwierigste Punkt. Alles ging wider Erwarten in Erfüllung.

War das für Sie zeichenhaft?

Ich hatte zum ersten Mal im Leben das Gefühl, dass eine innere Stimme zu mir spricht. Mit »innerer Stimme« bezeichne ich Gott, der zu mir gesprochen hat. Das war damals überdeutlich. Inzwischen habe ich diese innere Stimme oft gehört.

Ich hatte keine Ahnung, wie ich das Riesenprojekt finanzieren sollte.

Ist diese innere Stimme treffsicher?

Es gab etwa sieben Anläufe für den Neubau unseres Logistikcenters. Als wir auf der Zielgeraden mit einem Projekt waren, sprach meine innere Stimme zu mir, ich solle mich bei der Gemeindeverwaltung Rothrist melden und mich für das Ford-Areal bewerben. Obschon die Behörden immer klarstellten, auf diesem großen Areal solle keine Logistikfirma angesiedelt werden, schrieb ich diesen Brief. Erstaunlicherweise öffneten sich die Türen und schließlich sprach die Gemeindeversammlung mir als Transportunternehmer gegen alle Wahrscheinlichkeit das Grundstück zu. Zu dieser Zeit hatte ich noch keine Ahnung, wie ich den Kauf des über 22 Millionen Franken teuren Grundstückes und den Bau eines Logistikcenters von 56 Millionen Franken finanzieren sollte. Hätte Rothrist einen Finanzierungsnachweis verlangt, ich hätte ihn nicht erbringen können. Aber vor dem inneren Auge sah ich das Logistikcenter bereits. Und Leute, die für mich beteten, bestätigten mir, dass ich auf dem richtigen Weg sei.

Darf man mit dem christlichen Gott so naiv in ein so großes Geschäft einsteigen?

Ich gehöre zu den erfolgreicheren Logistikunternehmern im Land. Und keiner in der Transportbranche verzeichnete in den letzten fünfzehn Jahren eine solches Wachstum wie wir. Ihre Frage, ob man mit diesem Gott so kindlich vorwärtsgehen könne, kann ich mit einem fetten Ja beantworten. Auf Gott zu hören, lohnt sich. Daraus ergeben sich ab und an auch Spannungen mit Menschen in meinem Umfeld, die mit Vernunft und Kalkül denken und handeln. Die können mich und meine innere Stimme nicht immer verstehen.

Haben Sie dazu ein Beispiel?

Schwierige Jahre waren jene nach der Finanzkrise, 2009 und 2010. Da kam mein Finanzchef vor Weihnachten und teilte mir mit, dass er eine Spende für Indien von einer Viertelmillion nicht auslösen wolle. Er meinte, wir könnten im Januar die Löhne sonst vielleicht nicht mehr auszahlen. Ich war mir jedoch sicher: Wenn wir den Betrag nicht nach Indien schicken, werden wir die Löhne ganz bestimmt nicht zahlen können. Ich bestand darauf, den Betrag zu überweisen und sagte ihm: »Jetzt wirst du sehen, wie mächtig mein Gott ist.« 

Hat es sich gelohnt?

Ich weiß es noch genau: Am 25. Januar sagte mir mein Finanzchef, dass nach der Lohnzahlung noch mehr als eine Million Franken auf dem Kontokorrent verblieben sei. Weit mehr, als er es sich je hätte vorstellen können. Da komme Geld rein wie Heu, meinte er.

Sie haben sicher auch vernunftsbetonte Leute im Verwaltungsrat!

Vor wichtigen Entscheidungen ziehen wir uns alle in die Stille zurück. Jeder schreibt seine Eindrücke auf, dann tauschen wir uns aus. Unser Finanzchef musste sich zuerst an dieses Vorgehen gewöhnen. Aber auch seine Eindrücke fügen sich wie Puzzleteile ins Gesamtbild. Teilweise kommen alle mit derselben Meinung aus einer solchen Stille zurück, nachdem vorher noch verschiedenste Haltungen auszumachen waren. Der Weg mit meinem Gott ist mein Erfolgsrezept.

Gehört diese Art von Entscheidungsfindung zur Firmenkultur?

Nein, Firmenkultur ist das falsche Wort. Das findet im Verwaltungsrat statt, wenn es um die großen strategischen Entscheidungen geht.

Nach welchen Kriterien spenden Sie?

Ich erhalte viele Bitt- und Bettelbriefe, und wir investieren sehr viel in Drittweltländern – in Kinderheime, Schulen, Krankenhausbauten. Aber manchmal entscheide ich nach dem Bauchgefühl: Hat ein Werk eine Zuwendung nötig? Schon vor vielen Jahren erhielt ich einen deutlichen Eindruck: Nach Erreichen des 50. Altersjahrs werde ich nicht mehr so operativ in den Firmen tätig sein, da kommt was Neues für mich. Nun, zwei Jahre vor dieser Altersgrenze zeichnet sich der neue Weg so langsam ab: Ich werde in Ländern, die unter Arbeitslosigkeit leiden, Arbeitsplätze schaffen. Dazu gründen wir jetzt eine eigene Stiftung.

Was ist das Ziel?

Für die Kinder, die bislang von Hilfswerken aus dem Westen unterstützt werden, soll es eine Anschlusslösung geben, damit sie nach einem Heimaufenthalt nicht auf der Straße landen. Sie sollen ins Erwerbsleben eintreten können. Es ist meine Vision, ihnen eine Arbeit zu verschaffen, indem ich Firmen gründe oder wir uns an solchen beteiligen, um Schulungsplätze zu schaffen. Das schweizerische System mit den Berufslehren möchte ich in anderen Ländern implementieren.

Auf der einen Seite große Spenden, auf der anderen Seite gelten Sie als knallharter Verhandler, ja als Preisdrücker.

Sie drücken es hart aus. Aber ja, vielleicht bin ich der härteste gläubige Unternehmer. Es ist eben ein Überlebenskampf in der Branche. Und ich bin geneigt, von Kriegszuständen zu sprechen. In unserer Branche gibt es Firmen, denen es nicht mehr ums Transportieren geht. Das sind zum Teil Firmen, die als Geldwaschmaschinen fungieren. Da will man nur ein möglichst großes Volumen bewegen – fast egal, zu welchem Preis. Wir haben in der Schweiz ohnehin Lohnkosten, die etwa fünfmal höher sind als in Osteuropa, wo unsere Konkurrenz sitzt. Wenn wir dann bei der Beschaffung von Rollmaterial hier in der Schweiz noch das Anderthalbfache bezahlen sollen, von dem, was meine Kollegen in Rumänien für das gleiche Produkt ausgeben, hört mein Verständnis auf. Da muss dann gehandelt werden. Wir haben zehn Jahre lang selber die Fahrzeuge aus dem Osten importiert.

Das Lastwagengewerbe steht angesichts der Klimadebatte im Dauer-Rechtfertigungszwang. Bekümmert Sie das?

Wir hatten noch nie ein gutes Image. Würde die Bibel heute noch einmal geschrieben, würde man nicht von den Zöllnern und Sündern, sondern von den Transporteuren und Sündern lesen. Wir leben in einer Gesellschaft, die nicht ehrlich mit sich selber ist. Man will alles sofort und superfrisch haben. Diese Ansprüche lösen Verkehr aus. Wir müssen uns keinen Vorwurf machen, wenn wir mit unserem Wagen 24 Tonnen Waren transportieren und vom Cockpit auf die Autos schauen, die eine Auslastung von 1,2 Personen im Schnitt haben. Der Nutzen des Transportgewerbes geht vergessen. Gerne profilieren sich die Politiker mit den Worten, die Güter gehören auf die Bahn. Dass die Bahn die Kapazitäten nicht erbringen kann und die Supermärkte nicht mit Gleisen erschlossen sind, vergessen sie. Ich sehe das entspannt. Wir versuchen, im Rahmen des Möglichen die Emissionen zu reduzieren. Unser Ziel ist es, in den kommenden zwei Jahren siebzig Prozent unserer Flotte auf Biodiesel aus Schlachtabfällen umzurüsten.

Mit 21 Jahren haben Sie den Führerschein gemacht und fahren selber auch Lastwagen. Was reizt Sie eigentlich daran?

Der Lastwagenfahrer ist der König der Landstraße. Man sitzt aufrecht auf luftgefederten Sitzen, hat ein angenehmeres Raumklima, fast eine Panoramascheibe, sieht nicht die Leitplanken, sondern die Landschaft, die Kühe, die Traktoren. Das ist extrem schön. Mein Traumlastwagen, den ich mir gekauft habe, ist ein Peterbilt, Jahrgang 1971, mit viel Chrom und schönen Auspuffs neben der Fahrerkabine.

Mit wem haben Sie sich schon ein Elefantenrennen auf der Autobahn geliefert?

Ich fahre heute ganz anders Lastwagen als vor 25 Jahren. Es geht nicht mehr darum, ein bis zwei Stundenkilometer schneller als der Vordermann zu sein. Heute will ich der Beste sein und von unserem elektronischen Fahrbewertungssystem die Topnote erreichen.

Daniel Schöni

Daniel Schöni

Daniel Schöni (48) wurde 1992 im Alter von 21 Jahren LKW-Fahrer, stieg 1995 in den elterlichen Betrieb ein und übernahm 1999 die Foodsparte der Eltern, Schöni Food – im Jahr 2002 folgte die Schöni Transport AG vom Bruder. Daniel Schöni ist seit 26 Jahren verheiratet, hat drei Kinder im Alter von 14, 19 und 24 Jahren. Für weitere Hobbys nebst Lastwagenfahren reicht die Zeit für den Geschäftsführer eines Unternehmens mit einem Fuhrpark von über 500 Lastwagen nicht. Schöni investiert sich gerne in Kinder weltweit und als Sonntagsschullehrer in der Kirche in Wiedlisbach.