Yannik Michael
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Daniela Eberspächer-Roth

Die Geländegängige

Konventionen ängstigen sie wenig. Daniela Eberspächer-Roth sucht und findet ihre eigenen Wege. Als geschäftsführende Gesellschafterin formte sie mit ihrem Mann die Profilmetall-Gruppe zu einem international gefragten Unternehmen. Im Fokus stehen bei ihr dabei immer die Menschen.

Simon Jahn
Simon Jahn
9 min

Geländegängig. Wenn Sie jetzt an Offroadwagen, Baumaschinen oder Motocross denken, liegen Sie völlig falsch. Zugegeben: Das von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft verantwortete Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache definiert die Wortbedeutung als »in jedem Gelände fahrtüchtig«. Um Fahrzeuge geht es hier aber nicht. Geländegängig. Das ist Daniela Eberspächer-Roths Selbstbeschreibung. Ein Wort, mehr nicht. Schon das sagt viel über die Geschäftsführerin der Profilmetall-Gruppe aus. Gradlinig, fokussiert, schnörkellos gibt sich die 57-Jährige im Gespräch. Sie strahlt Ruhe und Zugewandtheit aus an diesem Nachmittag, dem schon ein kompletter Arbeitstag vorausgegangen ist.

Enorme Vielfalt, hohe Nachfrage

Wir befinden uns in Hirrlingen, einem beschaulichen Ort unweit von Tübingen. Umgeben von viel Natur werden hier am Ortsrand Metallprofile hergestellt, die wohl jeder von uns im Alltag an irgendeiner Stelle nutzt. Von Zierblenden in Autos und Trägerprofilen für LED-Leuchten über Wärmeleitbleche für Sonnenkollektoren bis hin zu Schienen in der Einbauküche – die Vielfalt ist enorm, die Nachfrage ebenso. »Wir haben uns bewusst dafür entschieden, nicht ausschließlich für die Automobilbranche zu fertigen. Das hat sich gerade in den vergangenen zwei Jahren bezahlt gemacht. Seit Beginn der Coronapandemie ist etwa Schaltschranktechnik extrem gefragt«, berichtet Daniela Eberspächer-Roth und in ihren Worten flackert sie schon auf, die Geländegängigkeit.

In der Fertigungshalle werden hier täglich etwa 30 Stahlrollen zu Profilen rollgeformt, jede bis zu 5000 Kilogramm schwer. In der benachbarten Lagerhalle warten Dutzende Paletten fertiger Kundenaufträge auf Abholung. Fünfzig Prozent der Bestellungen liefert Profilmetall ins Ausland. An einem zweiten Standort in Marktheidenfeld bei Würzburg stellt der Mittelständler auch Profilieranlagen nach Kundenwunsch her – unter anderem die innovative, modulare Anlage Xellar, selbst entwickelt und preisgekrönt.

Klarer Erfolgskurs

Geländegängig. Diese Eigenschaft war wohl unabdingbar und ein Glücksfall für das Unternehmen, als Eberspächer-Roth es 1999 gemeinsam mit ihrem Ehemann Manfred Roth übernahm. Die Firma befand sich nach dem Verlust eines Großkunden in einer Schieflage. »Es war keine einfache Zeit und auch nicht mein Lebenstraum«, gibt Eberspächer-Roth unumwunden zu. »Aber es hat sich gut entwickelt und so manche Ideen und Träume möglich gemacht.« Bescheidener kann man es wohl kaum formulieren. Vom angeschlagenen 35-Mann-Betrieb hat das Ehepaar das Unternehmen zu einem international gefragten Player mit 110 Mitarbeitern geführt, der zahlreiche Auszeichnungen abgeräumt hat: German Innovation Award, Best of Industry Award, Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg, BMM Award für »Bestes Management im Mittelstand«, Deutscher Bildungspreis, Landespreis für junge Unternehmen, Temp Award. Als Schlüssel dieser Erfolgsgeschichte sieht Eberspächer-Roth: »Disziplin, Fleiß und Respekt. Wir mussten uns fokussieren, dranbleiben, immer wieder aufstehen. Aber auch Menschen, die uns neidlos geholfen haben. Und eine gute Portion Humor.« Sie betrachte es als echtes Geschenk, als Segen, dass es so gelaufen sei.

Auch dass sie das Unternehmen als Ehepaar gemeinsam führen, hat Profilmetall entscheidend auf dem Wachstumspfad geholfen. »Alleine hätte es keiner von uns beiden hingekriegt, das war uns immer klar.« Denn: Der Maschinenbau-Ingenieur und sie ergänzen sich fachlich perfekt. »Die Zusammenarbeit ist jedoch weniger romantisch, als man sich das vielleicht vorstellt. Sie hat eigene Beziehungsregeln der Professionalität und des Managements. Zu Hause ist mehr Raum für Spaß und Entspannung, als es im Job angemessen wäre.«

Alleine hätte es keiner von uns beiden hingekriegt.

Lebenslanges Lernen

Geländegängig. Bei Daniela Eberspächer-Roth manifestierte sich das bereits in jungen Jahren durch großen Wissensdurst. Als Jugendliche bereiste sie die Welt. Sie wollte über den eigenen Tellerrand hinausblicken, fremde Kulturen kennenlernen, verstehen, warum die Dinge so sind, wie sie sind. »Das Reisen stillte meine Wissbegierde mehr, als es die Schule konnte.«

Einer »ziemlich rebellischen Jugend« folgte im Alter von zwanzig Jahren die Hinwendung zum christlichen Glauben, den sie nie als reine Privatsache verstand. Es ist eine der eindrücklichsten Erkenntnisse aus ihren Reisen, dass Authentizität aus dem Einklang von Privat- und Berufsleben entsteht. »Es lohnt sich stets am eigenen Charakter zu arbeiten.« Nach dem Abitur lernte Eberspächer-Roth in einer Klosterschule Hauswirtschaft und studierte anschließend Betriebswirtschaftslehre. Während des dualen Studiums gründete die vielseitig Interessierte das Internationale Jugendforum e. V. Der Verein organisiert bis heute die »Tage der Begegnung«, einen Austausch junger Menschen mit Bundestagsabgeordneten rund um Glaube, Werte und Politik.

Nach dem Studium arbeitete Eberspächer-Roth dann als Steuerfachangestellte, bevor sie 1990 bei Profilmetall einstieg, wo ihr Vater Kapitalanteile hielt. Um in der Metallbranche anzukommen, Grundlagen und Branchensprache besser zu verstehen, absolvierte sie begleitend eine Ausbildung zur Metallfacharbeiterin. »Das war für mich essenziell, um Mitarbeiter und Geschäftspartner gut zu verstehen.« Später hängte sie noch ein Masterstudium in Familienunternehmertum an und promovierte 2018 schließlich zum Thema »Leadership for a digital culture transformation«.

Die Thesen aus ihrer Doktorarbeit verarbeitete sie in dem Buch »Leadership für Zuversicht 4.0«. Darin zeigt sie »vier Handlungsfelder für die digitale Arbeitswelt und Gesellschaft« auf: »Nähe, um Vertrauen im Miteinander aufzubauen. So können Menschen Heimat und Zugehörigkeit finden. Das ist die Voraussetzung, um sich Kompetenz in dieser technisierten digitalen Welt zu erwerben. Und damit man sich nicht selbst in der digitalen Hierarchie verliert, braucht es einen Sinn fürs Leben, zum Beispiel, indem man sich für andere nützlich macht. Menschen, die diese vier Aspekte berücksichtigen, erlebe ich als zufriedener und dankbarer«, fasst Eberspächer-Roth zusammen. Wenn sie über Digitalisierung spricht, betont sie stets, dass diese dem Menschen beziehungsweise der Firma dienen müsse, nicht umgekehrt. Digitalisierung sei dort sinnvoll und wichtig, wo sie Menschen im Miteinander unterstützt.

Effizient, produktiv, energiesparend

Geländegängig. In einer Branche, die eher starre Prozesse pflegt, bedeutete das für Daniela Eberspächer-Roth auch, eingetretene Pfade zu verlassen. »Von meinem Vater habe ich gelernt, selbst zu denken, sinnvolle Wege zu suchen und eigene Entscheidungen zu treffen.« Ihre Erkenntnisse aus der Promotion und die fast dreißigjährige Erfahrung im Rollformen nutzen Eberspächer-Roth und ihr Mann nun, um eine Profilieranlage zu entwickeln, die die starren Produktionsabläufe aufbricht. »Wir haben unsere Wünsche fertiggedacht und dann mit unserer Marktkenntnis heraus eine Maschine der Zukunft entwickelt«, erzählt die Geschäftsführerin. Xellar heißt das Produktionssystem, das es in der Branche so zuvor noch nicht gab. Die Innovation: Xellar besteht aus modularen Fertigungszellen, die jeweils einen Arbeitsgang vornehmen und frei kombinierbar sind: Rollen, Stanzen, Ablängen. Alle Einheiten kommunizieren miteinander und können über ein einziges Schaltpult geregelt werden. »Dadurch kann die Anlage nicht nur individuell auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten, sondern unkompliziert für andere Fertigungen umgestellt oder nachgerüstet werden.« Das spart Zeit und Kosten. Zusätzlich arbeitet Xellar energiesparender und punktet mit einer besonders kompakten Bauweise.

Benedikt Schweizer
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Mit Xellar präsentierte Profilmetall 2018 eine Profilieranlage aus modularen Fertigungszellen. Für die innovative ­Eigenentwicklung wurde das Unternehmen mehrfach ausgezeichnet.

Momente der Menschlichkeit

Xellar ist ohne Zweifel ein Meilenstein in der Geschichte von Profilmetall. Daneben sind es – ganz geländegängig – eher keine Rampenlichtmomente, die Eberspächer-Roth im Rückblick als eindrücklich empfunden hat, sondern Begebenheiten mit Mitmenschen: »Für mich persönlich war es ein tolles Gefühl, als ich den ersten Kundenauftrag an Land gezogen habe.« Spannend sei auch gewesen, als sie dank des Wachstums für jede Position endlich eine mögliche Vertretung hatten. »Oder als wir Nachtschichten einführen konnten, weil das Team dazu bereit war – und dadurch mehr Flexibilität Einzug hielt, um auf die Kundenwünsche einzugehen.« Auch die ersten Auszeichnungen für das Unternehmen hätten Bemerkenswertes ausgelöst: »Ich habe es genossen, die Mitarbeitenden am nächsten Morgen zu beobachten. Ich hatte das Gefühl, sie kommen alle einen Zentimeter größer zur Arbeit. Das war ein unglaublich schöner Moment«, erzählt sie mit strahlendem Blick.

In Aussagen wie diesen spürt man, wie sehr Eberspächer-Roth das lebt, was sie regelmäßig postuliert: Wirtschaft ist für den Menschen da. Unternehmertum sei nie Selbstzweck. »Es lebt davon, dass Menschen das brauchen, was man macht.« Dann erleben die eigenen Mitarbeitenden ihre Arbeit auch als sinnstiftend. »Unsere Unternehmensphilosophie ist darum auch nicht Gewinnmaximierung, sondern ein angemessener Gewinn, um zu überleben, weiter wachsen zu können und einen Nutzen zu stiften.«

Wirtschaft ist für den Menschen da.

Was Halt gibt

Geländegängig. Das heißt auch, dass trotz Erfolg und guten Führungsprinzipien natürlich nicht alles eitel Sonnenschein ist. Daniela Eberspächer-Roth hat für solche Situationen einen genauen Fahrplan. »Wenn eine Situation bei mir auf den Tisch kommt, dreht es sich häufig um Probleme, die es zu lösen gilt. Da ist es für mich wichtig, dass sowohl ich als auch mein Gegenüber die Situation gut verstehen. Damit beginnt jede gute Entscheidung. Dann gilt es zu fragen: Was passiert, wenn wir nichts tun? Schließlich entwickeln wir ein Zielbild: Was könnte Schönes entstehen, wenn wir gemeinsam anpacken? Was wollen wir erreichen? Und wenn das klar ist, geht es ans Konzept. Im Nachgang ist dann das ehrliche Wahrnehmen des Ergebnisses wichtig«, erklärt sie. Um mit Herausforderungen so konstruktiv umgehen zu können, hilft ihr vor allem Stille zum Nachdenken. »Es macht einen echten Unterschied, wenn ich mir die Zeit nehme und vorher nochmal durchdenke, bevor ich etwas sage und tue. Natürlich ist das nicht einfach im Alltag. Auch ich übe Geduld täglich neu«, konstatiert sie.

Ohne Glauben könnte ich meine Arbeit nicht ausüben

Als eine Grundvoraussetzung für ihre Arbeit bezeichnet sie zudem ihren Glauben. »Ohne ihn könnte ich meinen Beruf nicht ausüben. Es ist mir schleierhaft, wie manche Manager in unserer so volatilen Welt sich ohne Glauben treu bleiben können. Ich hänge da sehr an Gott. Seit einiger Zeit markiere ich mir in einer kleinen Bibel, die ich einmal geschenkt bekommen habe, die Zitate von Jesus. Ich finde es unglaublich spannend, wie menschlich er ist und dass er manchmal auch ungeduldig geworden oder ausgeflippt ist. Und dann auf der anderen Seite diese bedingungslose Liebe und immer wieder neu beginnen und Zuversicht verbreiten. Das bewegt mich und berührt mich. Es hilft mir in Situationen in meinem Führungsalltag, die mich herausfordern. Ich wüsste nicht, wo ich die ganzen Sorgen, die mir tagsüber auf den Tisch kommen, sonst abgeben sollte, um mutig weiterzugehen.«

Vielfältig engagiert

Geländegängig. Nicht zuletzt zeigt sich das bei Daniela Eberspächer-Roth auch in ihrem vielfältigen ehrenamtlichen Engagement. Sie sitzt etwa im Aufsichtsrat des Seehaus e. V., einem Verein, der Strafvollzug in freien Formen für junge Männer anbietet. »Weil wir keine Kinder geschenkt bekommen haben, wollte ich gern mit jungen Menschen arbeiten, und der Strafvollzug ist das, was sonst niemand machen möchte. Aber diese jungen Männer sind wichtig für unsere Gesellschaft. Sie sind intelligent und können etwas, haben bisher falsche Entscheidungen getroffen. An dieser Stelle mit zu ermutigen, ist für mich ein echtes Vorrecht.« Als Vizepräsidentin der IHK Reutlingen vernetzt sie sich in der Wirtschaftspolitik, als Senatorin der Arbeitsgemeinschaft für industrielle Forschung bleibt sie am Puls der Entwicklung. »Als Handelsrichterin lerne ich für meinen Berufsalltag, was es braucht, um Konflikte zu vermeiden.« Ihre Ämter im Kuratorium der Welthungerhilfe sowie im Verwaltungsrat des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission e. V. helfen ihr für den Blick über den Tellerrand.

Nur ein Wort

Daniela Eberspächer-Roth, eine enorm vielschichtige Person, die durch Klarheit und Weitsicht besticht, mit einem feinen Gespür für Mitarbeitende und Betrieb ihr Unternehmen führt und sich beherzt für ihre Mitmenschen engagiert. Sie selbst beschränkt sich in aller Bescheidenheit bei der Eigencharakterisierung: »Ich brauche keinen ganzen Satz, um mich zu beschreiben. Mir reicht ein Wort: geländegängig. Mit mir kann man überall hingehen, ins Gefängnis genauso wie zum Präsidenten, egal ob unter Segeln oder auf dem motorisierten Zweirad.«