Roland Juker
©

Fredy Hugentobler & Reto Hugentobler

Feuer und Flamme für die Küche

Vergessen wir die Astronautennahrung. Die Zukunft der Profiküche entsteht im schweizerischen Schönbühl bei Hugentobler Schweizer Kochsysteme. Dort setzt die Unternehmensführung auf ein Rezept der Kontraste: neue Technologie – alte Werte.

Stephan Lehmann-Maldonado
Stephan Lehmann-Maldonado
9 min

War es der Blitz, der einschlug? Ein Vulkanausbruch? Oder Höhlenbewohner, die Hölzer heißrieben? Wie das Feuer zum Menschen kam, bleibt ein Geheimnis. Klar ist aber, dass das Element die Geschichte verändert und Leben verlängert hat. Plötzlich ließen sich Pflanzen und Fleisch genieß- und haltbar machen.

Eine ähnliche Revolution der Essgewohnheiten wie das Feuer soll der Hold-o-mat in den letzten 25 Jahren ausgelöst haben. Was anmaßend klingt, kommt aus berufenem Munde: »Die beste Erfindung seit dem Feuer«, kritzelte Anton Mosimann OBE, jahrelanger Küchenchef der britischen Royals, in die Firmenchronik von Hugentobler Kochsysteme.

Hugentobler setzte auf die Technik der Prärieindianer.

Viele Köche rund um die Welt würden dies unterschreiben. Das erfährt schnell, wer die Zukunftswerkstatt der Kochkunst am Hauptsitz des Unternehmens im schweizerischen Schönbühl in Augenschein nimmt. Das 2015 eingeweihte »Kochparadies« ist Produktionswerk, Showroom mit Lösungen von dreißig Gastrozulieferern, Kochstudio und Ausbildungscenter für modernste Kochtechnologien.

Über 35 000 Hold-o-maten stehen weltweit im Einsatz. Damit ist das Gerät der Exportschlager des Unternehmens. Gradgenau hält es die Temperatur. So können Köche beispielsweise Fleisch über Stunden, ja sogar über Nacht qualitätsverbessernd garen. Und jede Delikatesse lässt sich bis zur »Showtime« vor dem Gast im gewünschten Zustand erhalten. Der Hold-o-mat perfektioniere das Niedertemperaturgaren und »Holden«, erklärt Firmengründer Fredy Hugentobler. Die Kochtechnik hat er den US-Prärieindianern abgeguckt: Diese garten Fleisch stundenlang in heißen Steinen, damit es auch die alten Häuptlinge butterzart genießen konnten. 

Aus Liebe zu Köchen

»Vor vierzig Jahren befasste ich mich mit Fast-Food-Küche in den USA. Dort entdeckte ich neue Warmhaltetechniken und versuchte, sie in der Schweiz zu verkaufen«, erzählt Fredy Hugentobler. Doch schnell zeigte sich: Die Geräte waren zu groß, um überzeugende Qualitäten in der »À-la-carte-Gastronomie« zu erzielen. »Wir experimentierten mit Schweizer Kochdenken und neuen Technologien so lange, bis der Hold-o-mat entwickelt war.«

Dabei schwingt Fredy Hugentobler bis heute nie die Kelle. Seine Affinität zur Küche entstand allein aus Leidenschaft für die Arbeit der Köche und die Exzellenz auf dem Teller. In den Sechzigerjahren absolvierte er die kaufmännische Lehre beim Speiseverteilungsspezialisten Finessa von Egon Kreis. »Jedes Mal, wenn ich Köche besuchte, waren diese im Stress. Ich sah sie krampfen und schwitzen und überlegte mir, wie man die Abläufe verbessern könnte«, erinnert sich Hugentobler. Die Idee, hochwertige, frische Speisen nach allen Regeln der Kunst zuzubereiten, sie tage- bis monatelang haltbar zu machen und auf Abruf ohne Qualitäts- und Vitaminverluste aufzutischen, fasziniert ihn seither.

Sein erstes Patent erhielt er 1982 allerdings für einen anderen Geistesblitz: ein gelochtes Kuchenblech. »Nur so bekommt man im Umluftofen einen Früchtekuchen mit knusprigem Boden«, weiß Hugentobler. Mittlerweile stellen viele Firmen solche Bleche her. Gut, dass Hugentobler Kochsysteme immer wieder neue Inspirationen findet: das Niedertemperaturgaren und Hotfill (Heißabfüllung, Verschweißung, Schnellkühlung) in den USA, Sous vide (Garen im Vakuum) in Frankreich, Hochleistungs-Schockfrosten bis minus vierzig Grad in Italien. Der Mix solcher Methoden mit dem Erfahrungsschatz von Schweizer Köchen und technischer Raffinesse löste eine Art Küchenrevolution aus. Bei Hugentobler entstanden neue Technologien des Regenerierens, Haltbarmachens und des beutellosen Vakuumierens von Speisen mit Green VAC - bis hin zum Kochsystem »freeze’n’go«.

Die Stabübergabe führte zu neuen Strukturen.

Kompliment von Bill Clinton

Der feine Unterschied ist schmeckbar. Als der damalige Bundespräsident Helmut Kohl und der US-Präsident Bill Clinton 1998 im Berliner Hotel Adlon die deutsch-amerikanische Freundschaft feierten, orchestrierte das Bankettsystem-Team von Hugentobler das Dinner. Clinton gab zu Protokoll: »Ich habe bei einem Staatsempfang noch nie so gut gegessen.« Die Technologien der »neuen Schweizer Art des Kochens« nützen jedoch nur, wenn sie zum Einsatz kommen. »Die Köche auszubilden und ihnen den Wert unserer Techniken zu zeigen, hat bei uns an Bedeutung gewonnen«, sagt Hugentobler. Die Firma unterhält Ausbildungscenter in der Schweiz und Deutschland und schult Küchenteams in deren Betrieb. Obendrein sorgt die hauseigene Coachingfirma Gastroperspektiv für die langfristige, professionelle Begleitung der Kochsystemnutzer, gemäß dem Firmenslogan »effizienter kochen, besser essen = höhere Rendite«. Schon früh ist der Funke von Hugentobler senior auf den Junior übergesprungen. Er hat das Handwerk von der Pike auf gelernt und in allen Abteilungen gearbeitet. Seit über zehn Jahren leitet und besitzt Reto Hugentobler das Unternehmen mit 120 Mitarbeitenden, darunter dreißig ausgebildeten Küchenchefs.

Kürzertreten ist Chefsache

Der Vater kreuzt als Verwaltungsratspräsident nur noch selten im Unternehmen auf. Manchmal reicht das aber, um hitzige Diskussionen auszulösen: »Nach der Stabübergabe gab es Momente, in denen ich gedacht hatte, das müsste man anders machen. Da redete ich meinem Sohn drein«, räumt Fredy Hugentobler ein: »Ich hatte anfänglich Mühe, die Grenzen zwischen unseren Rollen zu erkennen.« Im Extremfall führte das zu Unsicherheiten bei den Mitarbeitenden, die nicht mehr wussten, wer eigentlich die Verantwortung trug. »Wenn der Senior bei Kunden ein Projekt anders aufgleist, als es den Vorgaben für die Mitarbeitenden entspricht, geraten diese unter Druck«, erklärt Reto Hugentobler. »Daraus habe ich meine Lehre gezogen«, betont Hugentobler senior: »Ich musste lernen, mich zurückzubinden, auch wenn ich innerlich kochte.«

Umgekehrt öffnet Fredy Hugentobler der Firma immer mal wieder eine Türe, durch die sich neue Aufträge ergeben. Welche Qualitäten schätzt der Junior an seinem Vater? »Ich habe noch nie einen Menschen erlebt, der so visionär unterwegs ist. Mein Vater entdeckt irgendwo in der Küche eine Not und entwickelt ein ganzes Konzept dafür. Da hat er eine unglaubliche Stärke«, meint Reto Hugentobler. Allerdings habe ausgerechnet diese Gabe auch schon zu Meinungsverschiedenheiten geführt. Denn Fredy Hugentobler sei dem Markt zuweilen zehn und mehr Jahre voraus.

Roland Juker
©
Christian Pfammatter
©
Jeder Schweizer Herd (»stärkste Abdeckung der Welt«) von Hugentobler entsteht nach Maß. Die Köche im Resort La Ginabelle, Zermatt, nutzen den kreativen Spielraum für Kulinarik auf höchstem Niveau.

»Mein Sohn führt die Mitarbeitenden viel besser als ich. Er hat Strukturen aufgebaut, die auch in einem größeren Unternehmen funktionieren«, betont Fredy Hugentobler im Gegenzug anerkennend: »Ich war wohl eher der Haudegen, der eine Chance sah und von allen gleich verlangte, dass sie ebenso Feuer und Flamme wären wie ich.«

Insgesamt wirkt das Miteinander der Charaktere bereichernd, weil sie sich am selben Wertekompass orientieren. Wer durch die verschiedenen Abteilungen von Hugentobler Kochsysteme spaziert, begegnet diesem fast auf Schritt und Tritt. Die Charta »Werte & Normen« von Hugentobler Kochsysteme sticht in jedem Raum ins Auge. Sie beruht auf »christlicher Ethik« und umfasst siebzehn Werte, darunter »kritikfähig« sein, »Demut« und »Katalysator/Filter sein«. Zu Letzterem heißt es präzisierend: »Wir verhindern die Verleumdung, sprich die Gerüchteküche.«

Mit Werten führen heißt, Menschen Wert zu geben.

Hugentobler senior und junior schreiben Wertschätzung, Nächstenliebe, Wahrhaftigkeit, Verbindlichkeit und Verantwortung groß: »Sie bilden das Fundament unserer Unternehmenskultur.« Und mit Werten führen heißt, Menschen Wert zu geben – lautet ein Credo von Reto Hugentobler. Jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter erhält im Vorstellungsgespräch den Wertekatalog zugeschoben. Dazu gibt es zehn Minuten Zeiten, um »das Kleingedruckte« durchzulesen und darüber nachzudenken. »Wer sich bei uns einbringen will, muss sich mit unseren Werten identifizieren. Sie bilden das Fundament für die Zusammenarbeit«, erklärt Reto Hugentobler. Der CEO und der Verwaltungsratspräsident wollen mit gutem Beispiel vorangehen. »Nach einem Konflikt nehmen wir ein Feierabendbier, schließen Frieden und vergeben einander«, sagt Reto Hugentobler. Schließlich gehört zum Punkt »kritikfähig« gemäß Firmendefinition auch: »Wir sind nicht nachtragend und verzeihen einander.«

Obwohl die meisten Mitarbeitenden den christlichen Glauben der Hugentoblers nicht teilen, reagieren sie positiv auf die Unternehmenswerte. Vielleicht, weil sie spüren, dass sie nicht nur ein »Rädchen im Getriebe« sind, sondern Wertschätzung erfahren. Egal, ob ein Auszubildender, ein Verkäufer oder ein Monteur bei Hugentobler anheuert – am ersten Tag lädt Reto Hugentobler die Neulinge zum Mittagessen ein und stellt ihnen eine Frage, die herausfordert: Was ist der Sinn des Lebens?

Antrittsgespräch mit Tiefgang

»Es gibt keine falschen Antworten. Vielmehr reißt der Einstieg die Barrieren hinunter – und ermöglicht ein tief gehendes, persönliches Gespräch«, erklärt Reto Hugentobler: »Das ist wohl ein Grund, weswegen sich Mitarbeitende teilweise auch bei privaten Schicksalsschlägen an uns wenden. Ich trage ihre Anliegen dann auf dem Herzen und bete für sie.«

Das Führungskonzept des Unternehmens haben Hugentoblers mit einem Text über den Lebenssinn ergänzt. Dieser stellt fest, dass jeder Mensch aus Körper, Seele und Geist besteht. Demnach sind alle drei Daseinsbereiche gleichermaßen ins Denken und Entscheiden einzubeziehen. »Darauf mache ich die Mitarbeitenden aufmerksam. Denn vernachlässigen wir einen dieser Bereiche, verkümmert er«, sagt Reto Hugentobler und stellt den Vergleich mit einem Bodybuilder an, der allein den Muskelaufbau im Kopf hat: »Wir möchten nicht Leistungserbringer heranziehen, die ihren Geist und ihre Seele nicht trainieren.«

Die Werte zahlen sich in der Unternehmenspraxis aus, dessen sind sich die Hugentoblers sicher. Sie wurden der Familie aber nicht in die Wiege gelegt. »Mein Schlüsselerlebnis hatte ich bei einem Vortrag eines Verlagsmanagers«, erzählt Fredy Hugentobler. Dieser referierte zum Thema »Müssen wir die alten Werte neu entdecken?« anlässlich eines Events der Internationalen Vereinigung Christlicher Geschäftsleute, IVCG.

Der Impuls traf Hugentobler mit einer solchen Wucht, dass er weitere Treffen der Bewegung besuchte und sich mit einem der Initianten, Werner Jakob, Gründer des Beratungsunternehmens Vitaperspektiv, anfreundete. »Zusammen mit anderen Unwissenden lasen wir in der Bibel, die für mich Neuland bedeutete. Ich begann zu verstehen, dass eine persönliche Beziehung mit Jesus möglich ist. Mein Glaube erneuerte sich.« Heute fühlt sich Hugentobler in reformierten, katholischen und freikirchlichen Gottesdiensten »zu Hause«.Und Vitaperspektiv unterstützte die Firma später, die christliche Denkweise in die modernen Betriebsprozesse zu integrieren.

Die Kreativität des Heiligen Geistes

Reto Hugentobler hat den Wandel seines Vaters als Jugendlicher miterlebt – und fand ihn glaubwürdig. »Natürlich erlebte ich eine Sturm- und Drangphase. Doch wo immer ich unterwegs war, spürte ich stets, wie Jesus mich führte«, sagt Hugentobler. »Und wenn ich einmal nicht weiterweiß, konferiere ich mit dem höchsten Chef.« Hugentoblers erklären sich sogar ihre Innovationskraft mit göttlichen Eingebungen. »Ich bin überzeugt, dass der Heilige Geist hinter unseren Ideen steckt«, sagt Fredy Hugentobler. Vor Großanlässen wie der Internationalen Fachmesse für Hotellerie und Gastronomie Igeho trommelt er seine Crew zusammen, um sie mit einem altirischen Segen »unter die Obhut Gottes« zu stellen.

Trotz ihrem Draht in den Himmel haben auch Hugentoblers die Gastrokrise namens Covid-19 nicht vorhergesehen. Über Nacht brachen bei der Kundschaft die Umsätze weg. Die Hugentoblers blieben geistesgegenwärtig. Die Firma gab Gastrobetrieben beispielsweise Tipps für Take-away-Lieferservices und zeigte, wie sich Esswaren ohne Qualitätseinbußen haltbar machen lassen.

Das Zuhause als Restaurant

»Die Pandemie hat Trends in der Gastronomie beschleunigt, die ohnehin im Gang waren«, analysiert Reto Hugentobler. »Genuss bleibt hoch im Kurs. Aber das Zuhause wird zunehmend zum Restaurant.« Denn Geschäftsleute wollten sich keine Zeit mehr für einen Businesslunch nehmen, aber auch nicht selbst kochen. Als weitere Zeitbombe erachtet er den Exodus der Fachkräfte: »Qualifiziertes Personal ist immer weniger bereit, das Leben am Küchenrhythmus auszurichten. Es gilt, die Wertschöpfungskette neu zu denken.«

Die Antwort auf alle diese Entwicklungen? Hugentobler Kochsysteme tüftelt seit über fünfzig Jahren daran herum. Mit ihren Erfolgsrezepten lassen sich Inhouse-Convenience und Rentabilität in der Gastroküche optimieren und die Nachteile des industriellen Fast Foods vermeiden. Von eiskalt bis siedend heiß erzielen die Schweizer Kochsysteme von Hugentobler jede Temperatur punktgenau. Für die Hugentoblers selbst braucht man aber keinen Gradmesser. Da ist nach wenigen Worten klar: Sie sind immer Feuer und Flamme für ihr Metier.  

Fredy Hugentobler

Fredy Hugentobler

Von Haus auf ist Fredy Hugentobler (77) Kaufmann. Seine unternehmerische Laufbahn startete er Mitte der 60er-Jahre als junger Verkäufer für Speiseverteilanlagen. 1995 lancierte er den Hold-o-mat, der den ICD-Award einheimste. Hugentobler ist Verwaltungsratspräsident von Hugentobler Schweizer Kochsysteme und Gastroperspektiv für Küchencoaching. Die hauseigene Bank – die GV Leasing AG – führt seine Ehefrau, mit der er seit fast 50 Jahren verheiratet ist. Seine drei Söhne arbeiten alle im Unternehmen: Reto als Unternehmensleiter, Jürg als Leiter der IT und Martin als Coach und Projektleiter.

Reto Hugentobler

Reto Hugentobler

Der Einstieg ins Familienunternehmen reizte Reto Hugentobler (43) seit jeher. Dennoch absolvierte er zuerst eine Lehre als Detailhandelskaufmann und einen Auslandaufenthalt, bevor er sich durch alle Abteilungen bei Hugentobler Kochsysteme hocharbeitete und mit einer Unternehmerschule an der Universität St. Gallen abschloss. Seit 2010 steuert Reto Hugentobler die Firma als CEO auf Wachstumskurs. Auch seine Ehefrau Melanie ist Mitglied der Geschäftsleitung. Die Firma zählt zu den 6 Finalisten aus 240 Unternehmen des Unternehmerpreises Prix SVC Mittelland 2023.