Johannes Warth
Können Lacher in Firmen Veränderungen bewirken, Herr Ermutiger?
Er ist »der bekannteste No-Name Deutschlands«. Mit Wortwitz und kabarettistischen Elementen berät der »Überlebensberater« Johannes Warth Unternehmen von der Nordsee bis ins Tessin. Für ein Interview erwischt man ihn darum am wahrscheinlichsten unterwegs im Auto.
»Heute hier, morgen dort – bin kaum da, muss ich fort.« Wie das Lied kommt mir Ihr Alltag auch vor. Sind Sie ein Ruheloser?
Einen Großteil meiner Zeit führe ich tatsächlich ein Reisenden dasein. Einmal hielt ich einen Vortrag bei der Bäcker-Innung Schleswig-Holstein. Dafür reiste ich quer durch Deutschland. Als ich mich auf den Rückweg machte, entdeckte ich am Straßenrand eine Ausschilderung zum Timmendorfer Strand. Da dachte ich: Es kann doch nicht wahr sein: Du bist 700 Kilometer hierhergefahren, wo alle anderen Urlaub machen, und rauschst jetzt einfach wieder zurück, ohne einmal die Ostsee gesehen zu haben. Dann bin ich einfach abgebogen und habe für eine halbe Stunde das Meer und den Strand genossen. Das war für mich ein wichtiger Moment, um zu lernen, in mein Reisendendasein auch Zeiten des Ankommens einzubauen.
Als Ermutiger bin ich stets bestrebt, den Fokus von den Sorgen wegzulenken.
Sie treten als Mutmacher und Überlebensberater bei Firmenveranstaltungen auf. Was bereitet Unternehmen heute Bauchschmerzen?
Da stehen ganz weit vorne die Digitalisierung und die Veränderungen, die mit ihr einhergehen. Als Ermutiger bin ich stets bestrebt, den Fokus von den Sorgen wegzulenken. Im Vergleich zu unseren Vorfahren, die beispielsweise Kriegszeiten miterleben mussten, haben wir heute ja eher Wohlfühlprobleme. Wir verbringen unsere Zeit damit, Unmengen an Geld in unsere Vorgärten zu investieren, sind aber gleichzeitig am Jammern, wie schlecht es uns doch geht. Eines der ersten Dinge, die ich empfehle, ist darum: Schreiben Sie doch einfach mal auf, was Sie heute schon alles Gutes erlebt haben: Ist Ihr Auto heute Morgen angesprungen? Sind Sie sicher zum Arbeitsplatz gekommen? Da geht es nicht um positive thinking, sondern darum, das Gute zu sehen. Mein Credo dazu lautet: Sehen und säen Sie das Gute.
Sie sehen sich in der Tradition des Hofnarren. Der hält dem König durch Späße den Spiegel vor. Was zeigt sich heute darin?
Diese gebückte, negative Haltung, die viele Leute haben: »Oh, wie haben wir es gerade wieder schwer!« Ich mache auf der Bühne vor, wie viel wir allein durch einen Haltungswechsel verändern können. Das gilt auch auf Führungsebene. Da wird schnell mal etwas dahergesagt mit dem Bewusstsein »Ich werde sowieso nicht mehr lange hier sein«. Immer wieder bedanken sich Leute, dass ich ihnen den Spiegel vorgehalten habe. Sie merken, dass sie sich mit dem, was sie tun, gar nicht richtig identifizieren. Der Narr greift nicht an, sondern macht sein Späßchen. So darf ich Dinge ansprechen, die erst einmal einen Lacher hervorrufen, aber im Nachgang doch zu der Überlegung führen: Mensch, da könnte ich etwas verändern.
Können Sie durch ein paar Lacher und gute Unterhaltung denn wirklich ernsthafte Veränderungen in Firmen anstoßen?
Das Entscheidende bei Botschaften, die unser Leben verändern können, ist, dass wir sie aufnehmen und nicht gleich ablehnen. Kürzlich bin ich bei einer Veranstaltung im gehobenen Management aufgetreten. Dort berichtete ein Professor von den Auswirkungen des Klimawandels in der Arktis. Er zeigte Bilder und schilderte, wie beängstigend es gewesen sei zu sehen, wie das Eis schmilzt. Als ich dann auf der Bühne stand, spürte ich, wie betroffen die Anwesenden waren. Dabei waren das allesamt intelligente Menschen, die mit Sicherheit nicht zum ersten Mal vom Klimawandel gehört hatten. Aber der Vortrag hatte ihnen das Thema nochmal in einer ganz deutlichen Art nahegebracht. Auf dieselbe Weise nehme ich für mich in Anspruch, Dinge anzusprechen und dadurch Gedankenprozesse in Gang zu setzen.
Wie wichtig ist eine hoffnungsvolle Stimmung für den Erfolg eines Unternehmens?
Ich habe es oft bei Veränderungsprozessen in Firmen erlebt: Wenn negativ kommuniziert wird – »Unserer Branche geht es schlecht«, »Wir werden große Probleme bekommen« oder »Ich weiß nicht, wie es im nächsten Jahr bei uns weitergeht« –, verlassen die Besten umgehend das Unternehmen. Denn wer gut ist, sucht sich sicherheitshalber etwas Neues. Und wenn die Besten gehen, hat ein Unternehmen, das sowieso schon in einer Krise steckt, noch viel schlechtere Karten. Es wird also noch schlimmer. Darum ist es so wichtig, das Gute auszusprechen. Stellen Sie sich einmal vor: Sie machen eine Bergtour. Es kommt Nebel auf und der Bergführer sagt: »Ich weiß wirklich nicht, ob wir hier noch heil herunterkommen.« Wissen Sie, was passieren würde? Die Ängstlichen würden erstarren. Die Erfahreneren würden sofort auf eigene Faust versuchen, vom Berg herunterzukommen.
Und das wäre eine echte Katastrophe. Darum ist es so wichtig, dass wir in allen Prozessen sagen: Wir kriegen das hin! Denn: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Das ist eine einfache Formel, die aber – genau wie die negative Aussage – viele Auswirkungen nach sich zieht. Genau da setze ich an, indem ich in Firmen etwa sage: »Stellen Sie sich einmal vor, jeder von Ihnen kommt zur Arbeit und sagt >Guten Morgen, ich wünsche dir alles Gute für den Tag<.« Das kann das ganze Betriebsklima verändern.
Was kann Unternehmern in schwierigen Zeiten Hoffnung geben?
Erst einmal, dass sie wissen, warum sie ihren Job machen. Weil sie es müssen? Oder weil sie auch von dem überzeugt sind, was sie tun? Das ist essenziell! Und dass sie die Menschen, die sie führen, wertschätzen und ihnen Anerkennung geben. In wie vielen Unternehmen habe ich es erlebt, dass die Angestellten gesagt haben: »Die da oben wissen doch gar nicht, was wir hier machen. Wir schuften uns kaputt und die interessiert es nicht.« Da herrscht oft ein riesiges Unverständnis zweier Lager. Nur die Führungskraft kann da aufräumen – indem sie transparent wird und den Menschen Wertschätzung entgegenbringt. Ein Freund von mir ist Tierpathologe. Er hat in den Vereinigten Arabischen Emiraten für Scheich Muhammed eine Tierpathologie aufgebaut. Dieser Freund erzählte mir, wie besonders es war, wenn der Scheich persönlich vorbeikam und sich für seine Arbeit interessierte. Das ist etwas ganz anderes, als wenn der Chef die Bürotür aufreißt und sagt: »Das kann ruhig ein bisschen schneller gehen.«
Haben Sie als Überlebensberater einen Überlebenstipp für Unternehmer in akuten Krisensituationen?
Einerseits das Gute aussprechen. Und zum anderen den Mut haben zu schauen: Gibt es vielleicht etwas ganz anderes, das ich machen sollte? Etwas, das ich noch nicht gesehen habe? Also der berühmte Blick über den Tellerrand.
Sie sind gelernter Schauspieler. Hat es mit der Laufbahn in Theater und TV nicht geklappt, oder wie kamen Sie dazu, sich als Berater und Redner zu verdingen?
Früher war ich am Theater, habe dann aber gemerkt, dass es nicht meine Stärke ist, Texte zu lernen und zu interpretieren. Mir liegt vielmehr die Improvisation. Ich mag es, mich auf Themen einzulassen und auf der Bühne auch spontan eine aktuelle Situation aufzugreifen und daraus etwas zu machen. Nichtsdestotrotz bewundere ich klassische Schauspieler. Wenn ich etwa meinem Freund Ulrich Tukur zusehe, komme ich jedes Mal ins Schwärmen.
Es ist wichtig, dass wir in allen Prozessen sagen: Wir kriegen das hin!
In Ihre Vorträge bauen Sie Artistik, Musik und Mitmachaktionen ein. Wollen Sie damit einfach ein bisschen Wohlfühlatmosphäre bei Ihren Zuhörern schaffen?
Diese unterhaltenden Aktionen nutze ich, um die Vorträge spannend zu halten und anschauliche Beispiele zu geben. Die bleiben besser im Kopf hängen. Warum zeichnet der Lehrer etwas an die Tafel, warum erstellen wir PowerPoint-Präsentationen? Weil sich die Dinge dann besser im Gedächtnis verankern. Ich hatte viele Jahre eine Nummer mit einem zwei Meter hohen Einrad im Programm. Da bat ich fünf Personen, mich auf das Rad zu heben. Dann schickte ich nacheinander alle wieder weg und sagte: »Sehen Sie, wenn man einmal oben ist, braucht man die da unten nicht mehr.« Da setzt dann wieder der Hofnarreneffekt ein.
Was unterscheidet Sie von einem Kabarettisten oder Comedian?
Ich erlebe diese Szene leider als sehr trostlos. Sie klagen häufig nur an oder stellen blöde Geschichten in den Raum, die für mich keinen Sinn ergeben, oft unter der Gürtellinie sind und den Zuschauer bestenfalls kurz zum Lachen bringen. Mein Anspruch dagegen ist bei der Einradgeschichte beispielsweise, dass ich es nicht bei dem Lacher belasse. Ich schiebe noch hinterher: »Wenn Menschen Ihnen nach oben helfen, schauen Sie doch auch, was aus denen wird. Denn jedem, dem Sie auf dem Weg nach oben begegnen, treffen Sie wieder, wenn es für Sie nach unten geht.«
Ich bewundere Menschen, die in dieser Welt etwas bewegen – und nicht nur sich selbst.
Heute gibt es ja eine ganze Achtsamkeitsindustrie. Damit lässt sich gut Geld verdienen. Können Sie mit Ihren Überlegungen da noch viel Neues bringen?
Für viele bedeutet Achtsamkeit, dass sie mehr auf sich selbst achten müssen. Das ist allerdings völlig egozentrisch. Und was resultiert daraus? Wir sind überall umgeben von Menschen, die nur noch an sich denken – angeheuert von dem Gedanken »Du kommst doch immer viel zu kurz«. Und dann kommen sie ins Jammern. Weil die Dankbarkeit fehlt, werden sie immer unzufriedener. Die Achtsamkeit, wie ich sie verstehe, hat aber nicht nur einen Samen, sondern – wie das Wort sagt – acht Samen. Bleibt man bei nur einem stehen, wird man einsam. Schon der zweite Samen bringt die Zweisamkeit. Und so habe ich in meinem Programm acht Samen der Achtsamkeit definiert. Das geht weit über das »Denk doch auch mal an dich« hinaus.
Seit vielen Jahren beraten Sie nun Firmen. Haben Sie schon mal überlegt, einen Management-Ratgeber zu schreiben? So was verkauft sich doch wie warme Semmeln.
Ich bin noch nie danach gegangen, was sich gut verkauft, sondern danach, was ich gut kann. Hätte ich vor fünfzehn Jahren ein solches Buch geschrieben, wäre ich heute sicher vermögender. Und wer etwas vermag, kann etwas bewegen. Das ist auch der einzige Grund, warum es mich manchmal reizt, vermögender zu sein. Aber – auch hier – nicht nur für mich, sondern für andere. Ich bewundere Menschen, die in dieser Welt etwas bewegen – und nicht nur sich selbst.
Wer oder was gibt Ihnen Hoffnung, wenn Sie selbst einmal Ermutigung brauchen?
Indem ich den Blick nach oben statt nach unten richte und sage: »Gott, du bist doch da. Und wenn du da bist, ist für alles gesorgt.« Das hilft mir, meine Sorgen, die oft eher Luxusprobleme sind, abzugeben. Zudem habe ich Menschen um mich, die mir Mut machen, beispielsweise meine Kinder, mit denen ich dann telefoniere. Wenn es uns schlecht geht, rufen viele ja die Leute an, denen sie etwas vorjammern können und die sie in ihren Sorgen bestätigen: »Ja, mir geht es genauso. Das ist ja furchtbar.« Das nennt man dann Mit-Leid haben. Besser ist es, Menschen zu kontaktieren, die uns gut tun und uns sagen: »Hör mal auf zu jammern.«
Wie sehen die Momente aus, in denen Sie mal runterfahren?
Das ist für mich ein herausforderndes Thema. Oft bin ich tagelang unterwegs, bis ich wieder nach Hause komme. Inzwischen arbeite ich intensiv daran, zu lernen anzukommen und nicht gleich in die nächste Aktion zu huschen. Als gläubiger Mensch bedeutet das für mich auch, nicht einfach in den Tag zu rauschen mit einem »Ach du Schreck, was ich heute alles machen muss«, sondern erst einmal in der Stille Gott zu begegnen. Es gibt nichts Besseres. Zudem fahre ich ganz bewusst sehr früh los vor Auftritten und schaue mir noch in Ruhe den Ort an.
Johannes Warth
Das Theater war nicht sein Ding, darum schwenkte der gelernte Schauspieler Johannes Warth zum Entertainer um. Heute berät der 58-Jährige als Ermutiger und Überlebensberater Firmen und Führungskräfte. Er begleitet Veränderungsprozesse und bringt Hoffnung in mutlose Situationen. Dabei setzt er auf der Bühne auf kabarettistische und artistische Elemente sowie Improvisation. Sein Traum ist es, ein künstlerisches Ermutigungszentrum aufzubauen. Warth ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er wohnt in Bollstadt im nördlichen Schwaben.