Eckhart Matthäus
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Siegfried Denzel

Kreuze am Wegesrand

Entlang eines Radweges im Schwäbischen Donautal stehen sieben imposante Kapellen aus Holz. Der Stifter möchte damit Menschen jeglicher Couleur zu Momenten der Besinnlichkeit einladen.

Christine Frischke
Christine Frischke
6 min

Für Siegfried Denzel ist Gott überall. Auch oder gerade in der Natur. Das zeigt sich insbesondere in dem außergewöhnlichen Projekt »Sieben Kapellen«, das er und seine Frau Elfriede angestoßen haben. Jahrzehntelang führte Denzel ein großes Holzunternehmen im bayerischen Wertingen. Inzwischen hat er es an seine zwei Söhne übergeben. Untätig blieb der belesene Mann auch im Ruhestand nicht. »Meine Frau und ich wollten den Menschen etwas zurückgeben von unserem Erfolg, von unserem Leben, von unserem Vermögen«, sagt er. Deshalb rief das Ehepaar Denzel 2016 eine Stiftung ins Leben. Einen engagierten Mitstreiter fand es in dem Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl.

Dem Werkstoff Holz blieb Denzel auch nach seiner Zeit im Unternehmen verbunden. Ebenso seinem Glauben, der den Katholiken durch sein Leben trug. Beides floss in eine Idee ein, die im Austausch mit Fassl langsam Gestalt annahm. Entlang von Radwegen im Schwäbischen Donautal, Denzels Heimatregion, sollten sieben Kapellen errichtet werden. Sieben, eine Zahl, der in der Bibel eine besondere Symbolik zukommt. Man denke etwa an die sieben Schöpfungstage. 

Für das Projekt wurden sieben Architekten aus Bayern, Frankfurt, Berlin und London gewonnen. Sie hatten weitestgehend freie Hand, sowohl bei der Gestaltung als auch bei der Wahl des Standortes. Nur aus Holz sollten die Kapellen sein, wünschte sich Denzel. Und ein Kreuz haben. »Die Architekten hatten den Auftrag, eine Kapelle zu bauen, die in die Landschaft passt, die Landschaft nicht stört, eine Bereicherung in der Architektur ist und Radlern und Wanderern eine Rast bietet.« So entstanden sieben völlig unterschiedliche Orte der Einkehr und Stille.

Eckhart Matthäus
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Bei ihrer Eröffnung wurden die Kapellen gesegnet, jedoch nicht geweiht. Ein wichtiger Unterschied, auf den Denzel hinweist. Zwar wurde mit dem Segen um Gottes Schutz für die Häuser gebeten. Sie bekamen aber keine explizit religiöse Funktion zugewiesen, anders als etwa geweihte Kirchen. Denzel wollte einen Ort schaffen, der allen Menschen offen steht – auch jenen, die mit Gott und Kirche wenig anfangen können . »Wir sind ökumenisch«, betont er. »Es kommen Menschen in die Kapellen, die sind Gott nicht nahe, aber sie spüren die Nähe zu Gott.«

Mittlerweile sind alle sieben Kapellen fertiggestellt. Radfahrer können sie entlang einer 153 Kilometer langen Mehrtagesrundtour erkunden. Einige sind mit Rastmöglichkeiten für die Brotzeit versehen. Gut möglich, dass man bei einem Halt auf den Stifter selbst trifft. Denn Siegfried Denzel, heute 91, »aber noch rüstig«, wie er sagt, besucht seine Kapellen zweimal die Woche. Er schätzt die Begegnungen dort. Er trifft auf Menschen von überall her, Rügen und Zürich etwa, aus Osteuropa ebenso wie aus Kanada. Franziskanerinnen pilgern zu den Kapellen, aber auch der ehemalige Vorstand eines großen deutschen Konzerns, mit dem Denzel ins Gespräch kam. Das Projekt hat gehalten, was er sich erhofft hat. »Ich freue mich an der Natur, der Architektur, daran, den Menschen nahe zu sein und Gott zu begegnen.«

Frank Lattke
Wegkapelle zwischen Oberbechingen und Wittislingen

Schon von Weitem zeigt sich der über sieben Meter hohe spitze Giebel der Wegkapelle des Augsburger Architekten Frank Lattke, der seine ersten Berufsjahre in Australien verbrachte. Er krönt einen quadratischen Bau, dessen Innenleben eine intime Geborgenheit ausstrahlt. Durch hohe lamellenartige Fensterschlitze dringt sanftes Licht in den Raum und wirft ein schönes Schattenspiel an die Wand. In einer Ecke ist ein Kreuz aus Tombakblech angebracht. 

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Wilhelm Huber
Blaue Kapelle im Laugnatal

Zunächst fällt die eigenwillige Form des Baus auf, der zwölf Meter hoch in die Landschaft ragt. Die Kapelle ähnelt entfernt einer gigantischen Orgel. Der Bau ist fast fensterlos. Nur durch ein Oberlicht aus blauem, mundgeblasenem Glas dringt Licht in den weißen Raum. Das verleiht ihm eine erhabene, sakrale Atmosphäre. Wilhelm Huber entwarf unter anderem einen neuen Sakramentsaltar für den Augsburger Dom und erhielt mehrere Auszeichnungen für seine Werke, darunter den Baupreis Allgäu. 

Eckhart Matthäus
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Christoph Mäckler
Kapelle bei Oberthürheim

Die Kapelle des Frankfurter Architekten Christoph Mäckler erinnert am ehesten an ein typisches Gotteshaus. Ein kleiner Vorbau dient als Eingangsbereich. Drinnen spielt der Bau mit den charakteristisch bunten Fenstern, die man aus Kirchen kennt. Mehr als 150 einzeln gerahmte blaue Scheiben tauchen den Raum in ein fast mystisches Licht. Links und rechts des Ganges sind Sitznischen angebracht, die an Kirchenbänke denken lassen. Mäcklers Bauten sind vor allem in Frankfurt nicht zu übersehen. Er realisierte unter anderem die Wolkenkratzer Opernturm und Tower 185 und entwarf den Neubau des Terminals 3 am Frankfurter Flughafen.

Eckhart Matthäus
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John Pawson
Wooden Chapel Unterliezheim

Die sicher ungewöhnlichste der sieben Kapellen liegt auf einer Anhöhe am Waldrand und ist zunächst nicht als solche zu erkennen. Mehrere Meter hoch erhebt sich ein Holzstapel aus vierzig Douglasienstämmen. Eine schmale Tür, ein Fenster, eine Lücke im Dach und eine kreuzförmige Aussparung an der Seite sind die einzigen Lichtquellen in dem reduzierten Bau von John Pawson. Die sakrale Ausstattung von Kirchenräumen bildet einen Schwerpunkt in der Arbeit des Architekten. Die »Wooden Chapel« auf dem 7-Kapellen-Radrundweg wurde 2020 von dem Fachmagazin ArchDaily als beste religiöse Architektur ausgezeichnet.

Eckhart Matthäus
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Volker Staab
Kapelle Kesselostheim

Inmitten von Feldern wächst ein vierzehn Meter hoher Kapellenturm in die Höhe. Er besteht aus einzelnen Holzlamellen, die sich gen Himmel auffächern. Zum Rasten lädt eine überdachte Bank vor der Kapelle ein, von der aus man einen Blick ins Innere erhaschen kann. Wer schließlich eintritt, sollte einen Blick nach oben werfen. Dort zeigt sich ein imposantes Kreuz, das die Öffnung im Dach überspannt. Der Berliner Architekt Volker Staab ist bekannt für spektakuläre Museumsbauten wie das Neue Museum Nürnberg oder die Erweiterung des Jüdischen Museums in Frankfurt.

Eckhart Matthäus
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Alen Jasarevic
Wegkapelle bei den Schwaigen

Als Vorbild für seine Kapelle dienten Alen Jasarevic zwei zum Gebet gefaltete Hände. Sie formen ein zwölf Meter hohes spitzes Dach. Das Innere ist erfüllt von hellem Licht, das durch eine Öffnung am Dach hineinfällt. Das hoch oben angebrachte Kreuz besteht aus zwei Stäben aus Stahl, die aus der nahen Donau geborgen wurden. Jasarevic arbeitet vom bayerischen Mering aus. Der Sohn bosnischer Eltern entwarf auch einen mehrfach ausgezeichneten modernen Moscheebau in Penzberg.

Eckhart Matthäus
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Hans Engel
Radwegkapelle bei Gundelfingen

An einen kleinen römischen Tempel erinnert die Kapelle von Hans Engel. Sie liegt malerisch an einem Weiher und ist zu allen Seiten hin offen. Zwölf Säulen aus Lärchenholz tragen ein flaches Dach. Der Blick bleibt an drei hohen mit Sinnsprüchen bedruckten Glaswänden hängen. Unter dem Dach schwebt eine runde Farbglasscheibe, in die ein Kreuz eingelassen ist. Wer hier Halt macht, findet zudem Tische mit Sitzgelegenheiten zum Ausruhen vor. Architekt Engel, inzwischen weit über achtzig Jahre alt, hat in Augsburg und Umgebung Wohn- und Industriebauten ebenso wie Kirchengebäude realisiert.

Siegfried Denzel

Siegfried Denzel

Siegfried Denzel (91) führte ab 1952 mehrere Jahrzehnte lang im schwäbischen Wertingen eine erfolgreiche Holzgroßhandlung mit klösterlichen Wurzeln, die bis ins Jahr 1122 zurückreichen. Er sah sich stets als Verwalter eines gottgegebenen Unternehmens. Heute wird dieses von seinen zwei Söhnen geleitet. Aus Dankbarkeit entstand 2016 die Siegfried und Elfriede Denzel Stiftung, die Kunst, Geschichte, Kirche, Religion und Kultur fördert.