Roland Juker
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Lars Rominger

Quer durch die Galaxien

Er hat die biologisch abbaubare Plastiktragtasche erfunden. Für Frauen mit großer Oberweite entwickelte er einen belastbaren Büstenhalter und für Connaisseure einen Weinveredler. Woher holt der Erfinder und Kunststofftechniker Lars Rominger seine Inspirationen? Aus der Bibel und dem Weltall.

Daniel Wahl
Daniel Wahl
7 min

Mit einem echten Erfinder über seine Arbeit zu sprechen, ist eine delikate Sache. Dessen Welt ist voller Geheimnisse und geschützter Patente. Die Ideen sind Hochrisikoprojekte. »Lars Rominger, woran arbeiten sie zurzeit?« Stillschweigen. Dann ein unruhiges Hinundherrutschen auf dem Stuhl. Es könnte ihm wohl jemand mit großer Geldbörse die Idee wegschnappen. Ebenso ist das Potenzial groß, mit einer bereits verschrienen Prototypentwicklung zu scheitern. Die Blamage wohl auch. Doch Lars Rominger, Bruder der Schweizer Radsportlegende Tony Rominger, gibt sich plötzlich einen Ruck: »Risiko ist gut. Denn risikolos gewinnen heißt ruhmlos siegen«, sagt er und öffnet die Türe einen Spalt weit zu seinem Universum.

»Lieber tot als Zweiter«, lautete das Familienmotto.

Es ist die Welt der Kohlenstoffatome und der Makromoleküle, in der PET-Flaschen aus fingerdicken Rohlingen aufgeblasen werden, in der Kunststoff-Granulat zu bunten Plastikwaschbecken verschmilzt, in der überhaupt ein halber Haushalt eines Europäers entsteht. Für Biofundis und Plastikgegner handelt es sich wohl um einen Ort des Grauens. Aber in diesem Mikrokosmos, in den Küchen mit Labor und Kunststoffbacköfen, arbeitet der 55-jährige Kunststofftechniker und Erfinder wie besessen. Er braucht oft nur drei bis vier Stunden Schlaf, weil die Ideen weitersprudeln und sich die Molekülketten noch lange bis in die Nacht in den Gehirnwindungen drehen.

Der Drang, vorneweg zu sein, allen anderen davonzuradeln, muss das Lebensmotto im Elternhaus gewesen sein. Romingers Vater sprach die Devise aus: »Lieber tot als Zweiter.« Wahrscheinlich wäre Lars Rominger auch Radprofisportler geworden wie sein Bruder Tony. Aber die Karriere von Lars Rominger, die mit hartem Training auf einem Militärfahrrad startete, nahm ein abruptes Ende – als er in einem Bergrennen von einem Herausforderer locker überholt wurde, den er sonst immer besiegt hatte. Auf die Frage, wie dieser das geschafft habe, kamen ausweichende Antworten und versteckte Aufforderungen, sich doch auch medizinisch helfen zu lassen. »No dope, no hope«, stellte Rominger fest und stellte das Rennrad in den Keller.

Fortan wollte Rominger auf einer anderen Siegerstraße reüssieren. Er begann, Menschen zu beobachten, die erfolgreich unterwegs waren. »Ihr kleinster gemeinsamer Nenner«, sagt er, »sie alle hatten eine Leidenschaft fürs Lernen, für die Selbstentwicklung und für das persönliche Wachstum.« Das sei aber nicht zu verwechseln mit Ich-denk-mich-reich-Methoden. Wahre Kreativität entstehe durch Kopie, Weiterentwicklung, Transformation und Neukombination.

Er könne sich ganze 3-D-Molekülmodelle im Kopf ausdenken, um dann den passenden Schlüssel zu finden, bezeugten seine Teamkollegen. Eine Leistung, die Rominger auf der Toilette und jedem anderen Unort tut. 

Resistente Pflanzen

Vor wenigen Monaten in einem nächtlichen Wachzustand erinnerte sich der Erfinder an die verblichenen Patente zweier Basler Chemiker, die in den Achtzigerjahren elektrostatische Projekte zur »Steigerung der Effizienz von Entwicklung und Wachstum von Fischen« lanciert hatten. Solche Methoden könne man transferieren, um Pflanzen mit elektromagnetischen Feldern robuster zu machen und das Wachstum zu fördern. Man müsse dafür die Potenzialdifferenz zwischen Ionosphäre und Boden erhöhen und wieder den Urzustand herstellen, in der sich die Erde einst befand.

Die Bibel hat Recht: Aus Information wird Materie.

Beflügelt von ersten Erfolgen im Labor erhofft sich Rominger, Pflanzen so zu beeinflussen, dass sie wesentlich mehr Ertrag abwerfen, resistenter gegen Krankheiten und Schädlinge sind, weniger Einsatz von chemischen Stoffen benötigen und so die Umwelt schonen. Ziel sei es, eine Versuchsanlage für Nutzpflanzen zu bauen, um weitere Daten zu erhalten. Bei erfolgreichen Feldversuchen wolle er marktfähige Anlagen bauen und vertreiben.

Den Kritikern solcher Ideen tritt Rominger entgegen: Als Chemiker sehe er dem Einfluss statischer Elektrofelder entspannt entgegen, weil alles im Leben auf Polarität aufgebaut ist. »Alle unsere über hundert verschiedenen chemischen Elemente funktionieren so«, deswegen sei er auch ein ausgesprochener Bewunderer des Periodensystems der Elemente – die Liste aller chemischen Elemente, geordnet nach steigender Kernladung.

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In der mathematischen Harmonie dieser Welt der Elemente hat Rominger die Manifestation des Schöpfers entdeckt – dessen Idee des Weltentwurfs. Unter all den Elementen ragt das Kohlenstoffatom heraus, das im Periodensystem eine zentrale Rolle spielt. Kohlenstoff, die Grundlage der organischen Chemie, Makromoleküle und Kunststoffe, mit der Rominger experimentiert, besitzt sechs Protonen. Die Zahl sechs wiederum gilt in der Mathematik als vollkommene Zahl, weil deren Teiler addiert sie selbst ergeben. In nahezu allen Kulturen hatten vollkommene Zahlen, insbesondere die Zahl 6, eine große Bedeutung. »Gott schuf alle Dinge in sechs Tagen.« Der Schöpfer sprach. Dass aus Information Materie und Dinge werden, stehe in epischen Worten am Anfang des Johannesevangeliums: »Und das Wort ward Fleisch.«

»Für meine Arbeit ist diese Erkenntnis die Inspiration schlechthin, eine eigentliche Anleitung, kreativ zu werden und über den Tellerrand hinaus zu denken«, erklärt Rominger.

Der Green Bag

Ein typisches Beispiel eines solchen Kreativitätsschubs ist die Entwicklung des »Green Bags«, der biologisch abbaubaren Plastiktasche. Bislang galt in der Kunststoffbranche als unumstößlich, dass lange Kohlenstoffketten zwar biologisch abbaubar sind, aber wegen ihrer Instabilität schneller zu reißen drohen. Kurze Molekülketten sind stabil, dafür nicht abbaubar. Kurz: Ist eine Plastiktasche tragfähig, ist sie ein Problem für die Natur. Ist Plastik kompostierbar, zerreißt die Tasche. Doch das Unmögliche ist möglich geworden. Mit einem Trick in der Verarbeitung überlistete Rominger das chemische Kunststoffgesetz mit der Disziplin der Physik. Er überdehnte kurze Ketten. Der »Green Bag« reißt in den Händen der Konsumenten nicht. Aber nach ein paar Monaten in praller Sonne und Regen, verrottet er.

Fachzeitschriften haben das Potenzial dieser Erfindung gesehen. Doch kaum war das Produkt auf dem Markt, kamen diverse Verbände mit Vorschriften, wie sich Rominger erinnert. Parallel – und wohl angetrieben von der Kunststofflobby – weichten Politiker in der Schweiz das geplante Verbot von Plastiktaschen auf, das ab 2015 hätte eingeführt werden sollen. Damit entzog man die kommerzielle Grundlage für den »Green Bag«. Romingers verkauftes Patent schlummert seither in einer Schublade eines Konzerns. »Zu viele wirtschaftliche Interessen hängen am traditionellen Plastikbeutel«, meint er.

Nahezu jede Entwicklung führe durchs Tal der Tränen. Es braucht Zeit und Disziplin und einen Willen, sich mit komplexen Sachverhalten auseinanderzusetzen. »Gute Ideen sind kein Zufall«, sagt Rominger. Und die wenigen risikofreudigen Investoren begleiten die Prototypentwicklung jeweils mit skeptischen Augen. Menschen mit Nerdanteilen – das sind »hochkarätige Fachkräfte mit geringer Anpassungsfähigkeit«, wie sich Rominger überspitzt beschreibt – neigen dazu, ausgenutzt zu werden. Sie ziehen Menschen an, die in einem den Tüftler sehen, den man ausbooten kann. 

Verschont blieb auch Rominger nicht von solchen Ereignissen. Seine erste kommerzielle Entwicklung war eine Software für die Analyse von Kunststoff. Sie war so radikal und einfach konzipiert, dass sie andere IT-Konzerne bloßgestellt hatte, weil diese ihre Kunden mit teuren Software-Updates an sich binden wollten. Rominger, der das chemische Wissen beisteuerte, und sein Programmierer wurden mit Klagen und Vorwürfen eingedeckt, sie hätten abgekupfert. »Es wurde immer schlimmer, irgendwann beschlossen wir, unsere Software als Paket zu verkaufen. Dann war Ruhe.«

Keine bitteren Wurzeln

Wenn man hart arbeite und andere den Gewinn einstreichen, könnten bittere Wurzeln entstehen, erklärt Rominger. Welche »Chemie« setzt er dagegen ein? Rominger antwortet mit einem biblischen Imperativ: Seid fröhlich im Herrn, allezeit! »Das ist ein Kraftvektor, der in die positive Richtung zieht und dazu hinführt, nicht Opfer zu sein, sondern Selbstverantwortung zu übernehmen.« Er glaube, dass sein Name von Gott erfasst sei. Der Blick dorthin in die Ewigkeit – zum Endprodukt, wie er sich ausdrückt – erfülle ihn mit Hoffnung.

In seinem Buch »Lars Wars – Kreativ in neue Galaxien« gibt Rominger seitenweise Anleitungen zum Besten, wie man sich zielstrebig durchs Leben bewegen kann. Erfolgreich haben ihn demnach drei Bausteine gemacht: Kreativität, Fantasie, Abenteuerlust, Spaß an Träumen und Geschichten Fachwissen und die Bereitschaft, sich komplexe Sachverhalte anzueignen Strategisches Denken und konsequentes Vorgehen

Angelehnt sind diese »Lars-Wars-Gedanken« an Star-Wars-Episoden aus der Welt der Klonkrieger, der Kunststoffhelme und der fluoreszierenden Schwerter. Wie kein Zweiter hat er sie verinnerlicht, tritt manchmal überraschend mit Darth-Vader-Maske vor seinen Studenten auf oder photoshopt sich unter die Kapuze von Luke Skywalker. Die Saga sei ein Kunstwerk mit klarer Trennung von Gut und Böse und viel Hintersinn. Wer sich darauf einlasse und die gewohnten Denkbahnen verlasse, könne viele Botschaften entschlüsseln. Und bis dahin operiert das Lars-Wars-Gehirn als Grenzgänger zwischen den Universen.

Lars Rominger

Lars Rominger

Lars Rominger (55) hat über zwanzig Patente hinterlegt. Zu seinen Erfindungen zählen ein Schlauchanschlussstück im Herzpumpenbereich, ein belastbarer Büstenhalter für Frauen mit großer Oberweite, der Barriqueur oder die Schokolade für Gourmets und Sterneköche. Für seine Innovationen wurde er 2016 von Idee-Suisse mit dem Award »Innovativster Unternehmer der Schweiz« ausgezeichnet. Rominger ist Lehrbeauftragter verschiedener Bildungsstätten und hat das Standardwerk »Qualitative Kunststoffanalytik« geschrieben. Er ist verheiratet und Vater von drei Töchtern.