Naemi Hügli
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Daniel Jungen

Suche nach dem Himmel auf Erden

In Dubai laufen unsere Autoren einem Pakistani über den Weg, der ihnen vom sagenumwobenen Hunza Valley im Norden Pakistans und dem Geheimnis des langen gesunden Lebens vorschwärmt. Eine Reise ins Unbekannte beginnt.

Daniel Jungen
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14 min
Naemi Hügli
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Vor 2500 Jahren begann die Blütezeit der sagenumwobenen Stadt Taxila. Nebst Gemüse und Früchten aus lokalem Anbau findet sich hier auch Street Food: in Kohle gegarte Maiskolben gelten als Delikatesse!
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Der Hunza Food Pavilion hat sich seinen Ruf als Feinschmeckertempel verdient. Auf den Teller kommen die traditionsreichen Spezialitäten Chap Shuro und Chapse Duodo – während der Fluss Hunza (rechts) fließt und fließt.
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Von Passu aus eröffnet sich ein spektakulärer Blick auf die Passu-Cones-Bergkette mit dem 24 Kilometer langen Passu-Gletscher. Zur Stärkung empfohlen: lokaler Grüntee, hier in der Nähe der Hussaini-Hängebrücke.

Pakistan ist in den Köpfen vieler Europäer so weit vom Genuss entfernt wie der Nordpol vom Äquator. Dem Land hängt wegen seiner langjährigen bewaffneten Konflikte mit Indien in der Kaschmirregion ein schlechter Ruf an. Diesen erst recht ruiniert haben die Terroranschläge vom 11. September 2001, mit denen neben Afghanistan auch Pakistan assoziiert wird. Und als seien diese negativen Assoziationen noch nicht genug, so ist in diesen Tagen ein neuer Film des Schweizer Regisseurs Michael Steiner erschienen, der die Entführung eines Schweizer Paars in den Bergen Pakistans dokumentiert. Die wahre Geschichte – verfilmt unter dem Titel »Und morgen seid ihr tot« – ereignete sich vor zehn Jahren, als das junge Paar auf der Durchreise durchs Land von den Taliban gefangen genommen und 256 Tage lang festgehalten wurde, ehe ihnen die Flucht gelang.

Der geheimnisvolle Herr lädt uns nach Pakistan ein.

Studenten eines Professors

Von all dem ist im pakistanischen Pavillon auf der Weltausstellung in Dubai nichts zu spüren, als wir diese im November 2021 besuchen. Zusammen mit vielen anderen Neugierigen schlendern wir – Naemi und Pascal Hügli und Daniel Jungen – gemütlich durch das imposante Expogelände, um auf das pakistanische Gebäude zuzusteuern. Dieses wurde uns als einer der Höhepunkte der Ausstellung empfohlen. Architektonisch hebt sich der pakistanische Komplex mit seinen bunten Fassaden von seinen Nachbarn ab. Und auch im Innern gibt sich das Land selbstsicher, präsentiert die Schönheit seiner Bergwelt und sein vielfältiges Kulturerbe. Gegen Ende des Rundgangs spricht uns eine junge Pakistanerin an, ob wir unsere Eindrücke für die Social-Media-Kampagne des pakistanischen Pavillons kundtun würden. Gesagt, getan. Schon ist das Video im Kasten. 

Sichtlich amüsiert von dem Tun hatte ein Herr mittleren Alters die Szene von der Seite aus beobachtet. Er spricht uns kurz darauf in akzentfreiem Englisch an und stellt sich als Pakistaner vor, der 25 Jahre seines Lebens in Kanada verbracht hat. Auch seien ihm Europa und die Schweiz von seinen Geschäftsreisen bestens bekannt. Ehe wir uns versehen, finden wir uns vor den Ausstellungsstücken im Souvenirladen wieder, wo uns Herr Kiani, so sein Name, das reiche kulturelle Erbe Pakistans ausführlich erklärt. Schnell wird klar: Der sympathische Herr kennt sich mit der Geschichte seines Landes bestens aus. Wie ein wandelndes Lexikon erzählt er uns Anekdoten, schildert kulturelle Zusammenhänge und klärt über die verschiedenen pakistanischen Volksgruppen und ihre Handwerkskünste auf.

Wir fühlen uns als Studenten eines Professors. Und dieser gute Lehrer weiß: Hören allein reicht für nachhaltiges Lernen nicht aus. »Sehet und schmecket«, hat schon König David in den Psalmen der Bibel geschrieben. Dieser Weisheit folgend lädt uns Herr Kiani ins angrenzende Restaurant ein, wo uns alsbald pakistanische Köstlichkeiten aufgetischt werden. Ein Gaumenschmaus, wie zu erahnen, untermalt mit ausschweifenden Erklärungen von Herrn Kiani.

Nach der Mahlzeit ergreift Herr Kiani nochmals selbstsicher das Wort und fordert uns auf, wir sollten ihn doch nächste Woche in Pakistan besuchen kommen. Die arabische Halbinsel, welche das eigentliche Ziel unserer restlichen Reise ist, gebe nicht viel mehr her als gläserne Hochhäuser und Wüstensand. Pakistan hingegen sei eine sehr alte Region mit einem reichen kulturellen Erbe, landschaftlicher Vielfalt von atemberaubender Schönheit und aufstrebendem wirtschaftlichem Potenzial. Und all das würde er uns sogar persönlich zeigen wollen. 

Das Wunderwasser soll gar gegen Krebs helfen.

Und vor allem gäbe es das sagenumwobene Hunza Valley im Norden Pakistans zu besuchen, das für die Langlebigkeit seiner Bevölkerung aufgrund deren äußerst gesunden Lebensweise bekannt sei. Biolandwirtschaft werde dort seit Urzeiten betrieben. Das Kauen von Aprikosenkernen sowie die Behandlung der Haut mit Aprikosenöl, alles aus Eigenanbau, halte die Leute gesund und fit. Und das sagenumwobene Hunzawasser, H3O statt H2O, helfe gegen Krebs und sonstige Beschwerden. All dies würde eine neuartige Erfahrung für uns werden und wir würden es nicht bereuen, so sein Versprechen.

Genuss mit Risiken

In unseren Kulturkreisen ist man gegenüber solch freundlichen Personen meist argwöhnisch und vermutet ein verborgenes Motiv. Doch wir befinden uns auf dem Gelände der Dubai Expo. Herr Kiani scheint nur Besucher zu sein, womit der Verkauf von Schnickschnack als Motiv für seine Freundlichkeit wegfällt. Ebenfalls scheint der Herr gut betucht zu sein, weswegen er wohl nicht hinter unseren überschaubaren Finanzen her ist.

Zurück in den sicheren vier Wänden unseres Hotelzimmers lassen wir uns die Sache nochmals in Ruhe durch den Kopf gehen. Schlimmstenfalls würden wir ein paar Tage in einem schäbigen Hotel vor uns dahinvegetieren, um dann mit einer »Wir hätten es besser wissen müssen«-Attitüde zurückzufliegen – alles in allem wohl ein kalkulierbares Risiko. Und resultiert der größte Genuss nicht aus Erlebnissen, für die man ein gewisses Risiko eingehen muss?

Königliche Touristen

Unsere Entscheidung bedeutet also, schnellstmöglich ein Visum zu beantragen, denn der Abreisetermin ist in vier Tagen. Heutzutage ist dies dank Website und Online-Applikation keine allzu große Sache – denken wir. Da die Technik allerdings nicht wie gewünscht funktioniert, muss unsereins schließlich persönlich auf der Botschaft antraben.

Was uns anfänglich etwas grimmig stimmt, soll sich im Nachhinein als göttliche Fügung erweisen. In unserer Naivität denken wir nämlich, der Visumprozess würde schnell vonstatten gehen. Einmal auf der Botschaft angekommen, um die technischen Probleme vor Ort zu beheben, wird uns erläutert, dass ein Visumsantrag einen siebentägigen Prozess beinhaltet, inklusive persönlichem Interview mit dem Visum-Verantwortlichen.

So viel Zeit haben wir freilich nicht. Zu unserem Glück werden unsere Pläne, als Schweizer Pakistan zu bereisen, als ehrenwertes Vor­haben angesehen. Wir werden wie Könige behandelt und die Verantwortlichen setzen Himmel und Erde in Bewegung, um uns die Visa innerhalb der nächsten 48 Stunden zu beschaffen. Auf einmal erweist sich der technische Fehler als unser größter Freund. Ohne ihn wären wir nicht persönlich auf der Botschaft erschienen und hätten die Visa keinesfalls rechtzeitig erhalten. So aber spazieren wir zwei Tage später mit dankbarem Herzen aus der Botschaft, die Visa sicher in unseren Taschen verstaut.

In und um die Hauptstadt

Unser Flug nach Islamabad, der Hauptstadt Pakistans, verläuft problemlos und wir werden von Herrn Kiani wärmstens empfangen. Die Freude über die angenommene Einladung können wir ihm förmlich vom Gesicht ablesen. Die nächsten zwei Tage werden wir in das vornehme Leben von Islamabad eingeführt. Unser Eindruck hat uns nicht getäuscht: Der Mann gehört der Oberschicht des Landes an und verkehrt in entsprechenden Kreisen. Wir lernen Minister, Politiker und einflussreiche Geschäftsleute kennen und werden von einem Staatsanwalt zum Nachtessen eingeladen.

Aber auch Kultur und Geschichte dürfen nicht fehlen. So führt man uns durch Ruinen vergangener Reiche, während vor unseren geistigen Augen alte Zivilisationen mitreißend und lebendig auftauchen. Das griechische Reich unter Alexander des Großen hatte sich bis nach Pakistan ausgedehnt und die Einflüsse griechischer Kultur sind in den Artefakten deutlich erkennbar. Bildhauerkunst auf hohem Niveau. Statuen mit griechischen Tunika-Gewändern, aber fernöstlichen Gesichtszügen – eine ungewohnte Kombination.

Ruinen zeugen von einem Schmelztiegel der Kulturen.

Die Reise ins Hunza Valley

Nach zwei Tagen in Islamabad ist die Zeit gekommen, Richtung Berge aufzubrechen. Im Norden Pakistans treffen die Gebirgszüge des Himalajas, des Hindukusch und des Karakorum-Gebirges aufeinander. Eine spektakuläre Region, welche fünf der weltweit vierzehn 8000er-Berge beheimatet. Endlich werden wir das viel gelobte Hunza Valley zu sehen bekommen, das uns als Himmel auf Erden beschrieben worden ist. Das Tal ist schon seit Jahrtausenden bewohnt und war ein zentraler Abschnitt der alten Seidenstraße. Vom Khunjerab-Pass an der chinesisch-pakistanischen Grenze führt die altertümliche Handelsroute durch das ganze Hunza Valley und danach weiter Richtung Persien. 

Bis vor nicht allzu langer Zeit war die Region jedoch nur während sechs Sommermonaten zugänglich. Im Winter, sobald die hohen Pässe zugeschneit waren, war das Tal von der Außenwelt abgeschnitten und auf sich alleine gestellt. Aus diesem Grund war das Tal seit jeher auf Selbstversorgung angewiesen. Und auf ­diese ist man bis heute stolz. Es wird fleißig Ackerbau betrieben, Jahrzehnte alte Obstbäume werden liebevoll gepflegt und ihre Früchte variantenreich verarbeitet.

Paradies hinter Bergen

Erst dank neu gebauten Straßen und der Eröffnung eines Flughafens ist das Tal nun ganzjährig zu bereisen. Für unsere Anreise haben wir uns für den Luftweg entschieden. Das Tal ist mit dem Flugzeug fünfzig Minuten von der Hauptstadt entfernt. Doch trotz moderner Navigationstechnik wird der Flughafen in der Tal- ebene von Gilgit nur bei schönem Wetter und klarer Sicht angeflogen. Zu groß ist sonst das Risiko, dass das Flugzeug beim Durchfliegen von Wolken und Nebel an einer der hohen Felswände zerschellt. Ebenfalls können die kleinen Propellerflieger, welche nur etwa dreißig Personen Platz bieten, die hohen Berge nicht überfliegen. Einlass ins Tal ist nur gewährt, wenn einem die Natur wohlgesonnen ist und man dank guter Sicht die mächtigen Tore des Nanga Parbat – ein 8000er-Berg – durchfliegen kann. Da wird einem die Kraft der Natur und der Berge förmlich vor Augen geführt.

An unserem Flugtag haben wir Glück und die Berge lassen uns bei strahlend blauem Himmel passieren. Was wir erleben dürfen, ist eigentlich mehr Panorama- als Linienflug. Der Pilot macht Ansagen wie ein Touristenführer, als wir am Toshe Ri I (6326 Meter), dann am Nanga Parbat (8126 Meter) (an welchem Reinhold Messners Bruder 1970 beim Abstieg tödlich verunglückte) und kurz darauf am Chongra (6830 Meter) vorbeifliegen. Fasziniert starren wir auf die schneebedeckten Gipfel, bevor das Flugzeug zu einer Linkskurve ansetzt und auf dem Rollfeld in Gilgit aufsetzt.

Bleiben die Touristen aus, bleiben die Taschen leer.

Hier sind wir nun also, in den Bergen Pakistans. Alpenfeeling durch und durch. Hohe Gipfel, steile Felswände, Berge, so weit das Auge reicht. Auf der zweistündigen Autofahrt tiefer ins Hunza Valley hinein sehen wir die alte ­Seidenstraße kilometerlang auf der anderen Talseite an uns vorbeiziehen. Der abenteuerliche Trampelpfad scheint bestens erhalten zu sein. Wir selbst befinden uns auf dem Karakoram Highway, einer gut ausgebauten Straße, die über 1284 km von China bis in den Süden Pakistans führt. Die Straße wurde 1978 als wichtige Handelsroute von China und Pakistan gebaut und ist ein Beweis für die engen wirtschaftlichen Beziehungen der Länder.

Aprikosenbäume in Bioqualität

Wie viele Bergtäler ist Hunza ein Ort von wilder Schönheit. Zum Zeitpunkt unserer Reise ist es Spätherbst und die Bäume haben ihre Blätter bereits abgeworfen. Man kann sich nur vorstellen, wie bezaubernd es hier im Frühling und Sommer sein muss, wenn die Aprikosenbäume in voller Blüte stehen und die Felder mit goldenem Weizen bestellt sind. Unser lokaler Führer namens Ali erzählt uns aber auch von den düsteren Seiten des Hunzatals. Er selbst ist hier aufgewachsen und bietet seit dreißig Jahren Touren für Bergsteiger und Touristen an. Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sei nichts mehr wie vorher, erzählt er uns.

Der 11. September als Unglückstag

Vor den Anschlägen habe das Geschäft mit den ausländischen Touristen, allen voran den Bergsteigern, geblüht. Er habe die Taschen voller Geld gehabt: Lira, Franc, Deutsche Mark, Schweizer Franken, Britisches Pfund. Doch innerhalb von drei Tagen nach den Anschlägen am 11. September seien alle ausländischen Touristen aus dem Hunzatal mit Helikoptern ausgeflogen worden – und jahrelang nicht wiedergekommen. Ali ist in dieser Zeit nur dank seines Vaters über die Runden gekommen, der eine lokale Anstellung vom Umweltministerium innehatte und so sich und seine erwachsenen Söhne ernähren konnte.

Als sich dann 2005/2006 langsam wieder erste Touristen in die Region wagten, kam die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007/2008, die den Tourismus ein weiteres Mal zum Erliegen brachte. Deshalb habe man zu jener Zeit angefangen, den bisher nicht existierenden lokalen Tourismus zu fördern und die Region in ganz Pakistan zu bewerben. Diese Bemühungen haben zwar teilweise gefruchtet, doch vermögen die pakistanischen Touristen die Ausfälle der ausländischen Reisenden nicht zu kompensieren. Zu wenig sind es an der Zahl, zu anders ihre Bedürfnisse und zu gering ihre Kaufkraft. Darum sind sie hier eigentlich nicht sonderlich gemocht – im Gegensatz zu westlichen Touristen.

Die Leute im Tal begegnen uns äußerst gastfreundlich, interessiert zu erfahren, woher wir kommen und was wir machen – ohne uns ­etwas verkaufen zu wollen. Und sie sprechen uns auch immer wieder auf das schlechte Image von Pakistan im Ausland an. Sie sind sich dessen bewusst und es ist ihnen ein Anliegen, dies zu korrigieren. Nicht zuletzt deshalb setzten sie alles daran, dass wir Pakistan positiv erleben. Denn letztlich sind zufriedene Touristen die besten Werbeträger.

Vom berühmten Hunzawasser

Doch nun wollen wir endlich das berühmte, lebensspendende Hunzawasser kosten, von dem uns so viel erzählt wurde. Unsere Verwirrung ist groß, als uns auf Nachfrage gesagt wird, dass Ausländer das lokale Wasser gar nicht vertragen würden, da es oft mit Schlammpartikeln verschmutzt sei. Das ­Wasser komme direkt und ungefiltert von den Gletschern und enthalte Spuren von Schlamm- und Kiesablagerungen.

Ein breites Grinsen huscht über Alis Gesicht.

Ungläubig fragen wir unseren Führer Ali nach dem berühmten Hunzawasser und ob man es wirklich nicht kosten könne. Seine Antwort irritiert uns noch mehr. Er meint, es sei nicht so einfach, dieses Wasser zu beschaffen, er hätte aber einen guten Freund, welcher uns eine Flasche für fünf Schweizer Franken verkaufen würde. Sichtlich verwirrt fragen wir ihn, ob wir es denn nicht direkt aus dem Hahn oder zumindest aus einer Quelle trinken könnten.

Ein breites Grinsen huscht über Alis Gesicht und er klärt uns naive Touristen darüber auf, dass der Begriff Hunzawasser hier im Tal umgangssprachlich für den selbst gemachten Alkohol gebraucht wird. Da Alkohol in Pakistan offiziell verboten ist, brauen die Bergler ihren eigenen Schnaps aus Maulbeeren und Aprikosen. Auf das spezielle H3O-Wasser angesprochen meint er, er habe noch nie etwas davon gehört. Vielleicht existiert das heilende Hunzawasser nur im Reich der Träume?

Auf der Spur der Langlebigkeit

Was es jedoch zuhauf gibt, sind Aprikosenbäume. Hunza ist berühmt für seine hochwertigen Produkte aus den Früchten. Die Aprikosen werden in der Sonne getrocknet und an jeder Straßenecke zum Verkauf angeboten. Die Kerne, entnommen aus den Aprikosensteinen, werden gepresst und daraus wird Öl gewonnen, das besonders gut für die Haut ist. Oder aber sie werden wie Nüsse gegessen, was nicht nur ein köstlicher Snack ist, sondern nebenher auch gegen Krebs vorbeugen und Langlebigkeit fördern soll.

Nun wollen wir es natürlich etwas genauer wissen mit der Langlebigkeit und fragen Ali danach. Er bestätigt uns, dass sein Großvater 108 Jahre alt geworden und auch sein Vater mit 80 noch gesund und wohlauf sei. Wie er uns versichert, ist das im Hunzatal keine Seltenheit. Irgendetwas scheint es in diesem Tal also doch mit der Langlebigkeit auf sich zu haben. Ob die Ursache aber die Aprikosenkerne, das Hunzawasser, die biologische Anbauweise des Getreides und Gemüses, die Höhenluft, eine Mischung aus all diesen Faktoren oder doch etwas ganz anderes ist, kann uns leider niemand beantworten.

Mit Vollgas zurück

Nach drei erlebnisreichen Tagen neigt sich unsere Zeit in Hunza bereits dem Ende zu. Doch schienen uns die Berge nicht ziehen lassen zu wollen. Auf Nachfrage bei der Reiseagentur heißt es, alle Flüge für die kommenden Tage zurück nach Islamabad seien komplett ausgebucht. Denn, so erklärte man uns, auch hier zieht es die Leute weg vom kalten Bergwinter in den wärmeren Süden. So sitzen wir als bald in einem weißen Honda, vor uns eine fünfzehnstündige Autofahrt durch die Schluchten und Täler der pakistanischen Berge, um zurück in die Hauptstadt zu gelangen. Wir staunen nicht schlecht, als nach einigen Stunden Fahrt auf einmal ein bewaffnetes Begleitfahrzeug vor uns herfährt. Da unser Fahrer kein Englisch spricht und niemand von uns des Urdu mächtig ist, erfahren wir erst im Nachhinein, dass Teile der Route durch die krisengeschüttelte Kaschmirregion führen, weshalb Touristen dort besonderer Schutz gewährt wird.

Unsere Vorstellungen haben oft nichts mit den Menschen vor Ort zu tun.

Bange Stunden im Honda

Nachdem wir später die Kaschmirregion verlassen und dem Begleitfahrzeug zum Abschied winken, scheint unser Fahrer seine neu gewonnene Freiheit auskosten zu wollen und drückt mächtig aufs Gas. Wie auf einer Verfolgungsjagd steuert er den Honda um die Serpentinen der Bergstraße, die sich hoch oben an den Berghängen entlangeschlängelt, und überholt in filmreifer Manier alles, was ihm in den Weg kommt.

Uns läuft kalter Schweiß den Rücken hinunter und wir beten inbrünstig, dass der Fahrer weiß, was er tut. Nach eineinhalb Stunden abenteuerlichem Fahrstil kommen wir endlich in flacheres Gelände. Zurück in der Zivilisation, zurück auf geraden Straßen – was für ein Genuss, denken wir uns erleichtert. Die fünfzehnstündige Taxifahrt kostet uns übrigens umgerechnet rund hundert Euro, was wir ungläubig zur Kenntnis nehmen.

Was uns von dieser Reise bleibt, ist die Erkenntnis, dass es den perfekten Ort nicht gibt. Denn Genuss und Leid liegen sehr oft nahe beieinander. Auch im Hunza Valley, diesem himmlischen Tal auf Erden, kämpfen die Menschen mit alltäglichen Lasten und Problemen, seien diese ökonomischer, zwischenmenschlicher oder gesundheitlicher Natur.

Und doch sind es immer die Menschen, die einen Ort zu etwas ganz Besonderem machen können. Die Warmherzigkeit und Gastfreundschaft, die uns inmitten dieser rauen Berglandschaft entgegengebracht wurden, haben einen tiefen Eindruck bei uns hinterlassen. Uns wurde bewusst: Die Vorstellung, die wir im Westen über ein Land haben, hat oftmals wenig bis nichts mit der eigentlichen Bevölkerung vor Ort zu tun. Vielmehr ist sie geprägt von wenigen, oft negativen Ereignissen, die uns Medien vorgeführt haben.

Pakistan hat uns in dieser Hinsicht mehr als überrascht. Von Gewalt und religiösem Fanatismus war nichts zu spüren. Vielmehr durften wir zahlreiche positive und spannende Begegnungen mit Menschen aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und -schichten erleben. So wurde unser negatives Bild wie von selbst Stück für Stück ins Gute gekehrt. Wie der vom Schicksal heimgesuchte Hiob in der Bibel können wir nun sagen: »Ich kannte dich nur vom Hörensagen, jetzt aber habe ich dich mit eigenen Augen gesehen!«

Daniel Jungen

Daniel Jungen

Das Aufwachsen mit vier Brüdern hat Daniel Jungen (33) zu einem ambitionierten Athleten und Abenteurer gemacht, weswegen er derzeit als digitaler Nomade um die Welt zieht. Er studierte Wirtschaft an der Universität Zürich und arbeitet als freiberuflicher Finanzjournalist. Sein Schwerpunkt: Kryptoassets. Mit Pascal Hügli und Manuel Jungen führt Daniel Jungen zudem die Research-Boutique Insight DeFi. Sein Lebensmotto hat er im biblischen Buch Sprüche entdeckt: »Weisheit ist das wertvollste Gut. Einsicht ist das, was du brauchst. Investiere in sie.«