John Lekota
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Vusi Thembekwayo

Südafrikas Rockstar-Investor

Hunderttausende hängen an den Lippen von Vusi Thembekwayo. Einst in einem kleinen Township geboren, versprüht er als Risikokapitalgeber und Redner Hoffnung unter Afrikas Jugend, unter anderem über die TV-Serie »Dragon’s Den« (»Die Höhle der Löwen«).

Lisa Chuma
Lisa Chuma
7 min

Den viel beschäftigten Tausendsassa habe ich im September 2020 erwischt. »Vusi ist der Inbegriff des Südafrikas, für das wir gekämpft haben«, sagte Nelson Mandela, der frühere Präsident Südafrikas über meinen Gesprächspartner Vusi Thembekwayo. Nun wusste ich, warum. Denn auch ich war hin und weg von seiner Energie und Entschlossenheit – obwohl ich ihn nur über Zoom erlebte, weil Covid-19 gerade um die halbe Welt ging.

Vusi Thembekwayo ist das Aushängeschild unter Afrikas Jungunternehmern. Dabei ist er, der sich mit den Zulus identifiziert, in einer kleinen Township in Südafrika aufgewachsen. Aus Mangel an Geld musste er sein Studium abbrechen und nach Jobs suchen, bis er notgedrungen als Unternehmer startete – und reüssierte. Was ich zuerst von ihm wissen wollte, war darum, wie sein früheres Leben ihn zu dem Mann machte, den wir heute sehen.

Die Misere, die er erlebt hat, ist seine Antriebsfeder.

»Ich genoss eine großartige Erziehung«, sagte Thembekwayo. »Meine Eltern liebten sich gegenseitig und ihre Kinder. Unser Haus war immer voller Leute, die zu Besuch kamen. Und in diesem Umfeld habe ich mir jede Menge Sozialkompetenzen angeeignet. Hier habe ich gelernt, wer ich bin, wie man sich unterhält und wie man aufgebrachte Leute beruhigt.«

Aber diese Idylle währte nicht lange. Als Thembekwayo gerade mal acht Jahre alt war, gründete sein Vater ein Geschäft. Und die Dinge begannen, aus dem Ruder zu laufen. »Mein Vater verschuldete sich, verlor sein Auto, und meine Eltern hätten fast ihr Zuhause verloren. Weil es dort nicht länger sicher war, zogen wir aus, um bei meinem Großvater zu leben. Immer wieder rief uns der Sheriff an.«

Kampf ums Überleben

Vusi Thembekwayos Familie fand sich in einer kleinen Wohnung mit Tanten, Onkel und Cousins wieder. Schließlich zogen Vusi, seine Schwester und seine Mutter zu einer Tante, die dreißig Kilometer entfernt wohnte. Ein Ort ohne Heizung und Elektrizität. Und jeden Tag ein langer, trostloser Weg zur Schule. Der Vater blieb mit einem Fernseher, einer Matratze und einem Telefonanschluss zurück. »Jedes Mal, wenn wir meinen Vater besuchten, bereitete er für uns ein Rührei zu. Und er bestand darauf, keinen Bissen davon zu nehmen. Viele Jahre später erzählte mir meine Mutter, was dahinterstand. Mein Vater schenkte uns das Essen, das ihn einen Tag lang am Leben halten sollte. Er gab alles, was er hatte.«

Diese Erfahrung ist es, die Thembekwayo bis heute antreibt. Er ist entschlossen, seinen drei Kindern diese Misere zu ersparen. Aber er ist sich auch bewusst, dass »wir alle einen Plan haben, bis das Leben geschieht. Der Mensch denkt, Gott lenkt.« Eine einfache, aber mächtige Wahrheit – und eine, die ihn mitfühlend, verletzlich und bescheiden macht. Denn in seinem Gedächtnis ist eingebrannt, wie sein Vater alles verlor – und gleichzeitig alle seine sogenannten Freunde verschwanden.

Eine prägende Niederlage

Daraus hat Vusi Thembekwayo seine Lehren gezogen. Werte, die ihm am Herzen liegen, sind Loyalität, Integrität und die enge Verbundenheit der Familie – was seiner Rolle als einer der »Drachen« in der beliebten Fernsehsendung »Dragon’s Den« (»Die Höhle der Löwen« im deutschsprachigen Raum) eine andere Dimension verleiht. Doch wie geht Vusi Thembekwayo mit Scheitern um? Ich fragte ihn nach seinen Erfahrungen. Und erhielt eine überraschende Antwort.

Als Vierjähriger in der Vorschule beeindruckte ihn ein anderer Junge. Dieser war beliebt und selbstbewusst. Davon wollte Vusi auch etwas haben! Als die kleinen Kinder boxen lernten, stürzte sich Vusi ganz in die Rolle. Er schwang wie wild ums sich, ohne den anderen je zu berühren. Doch ein Moment der Unaufmerksamkeit genügte. Da ergriff der andere Junge seine Chance – und schlug ihn zu Boden. Für eine Woche wurde Vusi Thembekwayo zum Gesprächsthema seiner Klasse. Leider ganz und gar nicht so, wie er sich das erhofft hatte.

Nelson Mandelas Rat

»Ich möchte nicht allzu sentimental klingen, aber diese Erfahrung hat mich gelehrt, mich einfach wieder aufzuraffen. Wieso? Egal, wie dunkel es ist – die Sonne wird wieder scheinen.« Nelson Mandela habe ihm einmal zugeflüstert: »Glaube ist die Fähigkeit, an das Unmögliche zu glauben, das Unsichtbare zu sehen und dem Unbekannten zu vertrauen. Egal, unter welchen Umständen, man muss immer Glauben haben.« Dabei sei Glaube für ihn nicht etwas Abstraktes, sondern er müsse zu Handlungen führen, betont Vusi Thembekwayo. Sein Glaube beruhe auf seinem Grundvertrauen in Gott. Es ist dieses Grundvertrauen, das Vusi Thembekwayo auch als Risikokapitalgeber beflügelt. Mit seiner Beteiligungsgesellschaft »MyGrowth Fund« hat er sich zum Ziel gesetzt, in den nächsten zehn Jahren 300 nachhaltige Unternehmen aufzubauen, 500 wachstumsstarke Firmen zu beschleunigen und 10 000 Arbeitsplätze in Afrika zu schaffen.

Während seiner Zeit beim »Dragon’s Den«-

Programm stellte er aber fest, dass die meisten Risikokapitalgeber in Südafrika einen buchhalterischen oder bankfachlichen Hintergrund mitbringen – keinen unternehmerischen. Er sah sich aber als Unternehmer, als Business Angel, der Träume zusammen mit Menschen verwirklichen wollte. Das gab ihm den Vorteil, den Markt für Risikokapital aus einer anderen Perspektive zu betrachten.

In zehn Jahren sollen 10 000  Stellen in Afrika entstehen.

Eine bittere Enttäuschung

Risikokapitalinvestoren sehen sich in Afrika mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Laut Vusi Thembekwayo besteht ein Mangel an Informationen über Unternehmen. Es ist schwierig, Talente im Land zu halten und es fehlt an Netzwerken. Vusi verriet mir seinen bisher härtesten Rückschlag als Risikokapitalgeber – eine Geschichte über eine junge Dame mit einem innovativen Produkt. »Wir waren uns einig, dass wir sie finanzieren würden – und vertrauten unser Geld einem vermeintlich professionellen Transaktionsabwickler an. Statt mit dem Geld die Idee zum Fliegen zu bringen, parkierte der Typ die Summe bei sich selbst. Das Geld versandete. Die Frau war untröstlich. Sie kam nicht vom Fleck und hat ihr Geschäft nicht gestartet.« Das ärgert Vusi Thembekwayo bis heute. Dafür weiß er nun, was der beste Rat ist: »Egal, wie dringend es ist: Man muss sich Zeit lassen. Jede Entscheidung, jeder Anruf, jede Diskussion – es gilt, das Tempo zu verlangsamen. Nur so erhält man ein gutes Gesamtbild.«

Doch Misserfolge können Vusi Thembekwayos Leidenschaft für seine Arbeit nicht bremsen. Lieber nutzt er sie, um dazuzulernen: Seine größten Lektionen als Investor sind einfach: »Jeder Unternehmer glaubt, dass sein Businessplan aufgeht. Das tut er aber nicht immer. Große Pläne sind nur so gut wie ihre durchschnittliche Ausführung.« Diese Art von klarem Denken zeichnet Thembekwayo aus.

Südafrika muss endlich nach vorn schauen.

Als Beispiel durchdachter Businessmodelle nennt er sein Floristengeschäft in Südafrika. Über eine Plattform können die Floristen den Lagerbestand überprüfen und Lieferungen bestellen. Aber vor allem können Sie das Kundenverhalten analysieren. Sie wissen genau, wer was zu welchem Preis kauft. Ebenso einfach funktioniert sein Palettenvermietungsbetrieb. Statt dass Unternehmen selbst Paletten und Ähnliches kaufen, mieten sie diese. Die Intensität der Buchungen ist für Thembekwayo überdies ein guter Indikator für den Gang der Wirtschaft.

Talente-Exodus aus Afrika

»Ich glaube, dass wir alle fähiger sind, als wir denken«, sagt Vusi Thembekwayo. »Aber es sind nicht immer die Besten, die an die Spitze aufsteigen. Südafrika muss sich entscheiden, wie lange es in der Vergangenheit stecken bleiben will. Der Grund, warum ich hierbleibe, ist, dass ich etwas bewegen möchte. Doch es wird immer schwieriger, diese Entscheidung zu rechtfertigen. Die größte Bedrohung für Afrika ist, dass die talentierten Afrikaner weggehen. Sie verlassen den Kontinent.«

Im gleichen Atemzug spricht Vusi Thembekwayo darüber, wieso sich Facebook und Alibaba nicht in Afrika entwickelt haben. Dafür gebe es einfache Gründe. »Es scheint, dass der afrikanische Unternehmer mit einer cleveren Idee nicht weiß, an wen er sich wenden soll. Die Größe der Kapitalmärkte ist so klein, dass es für Start-ups schwierig ist, Geld anzuziehen.« Zweitens wüssten die Menschen in Südafrika oft nicht, was bereits erfunden wurde. Drittens gebe es kaum Investitionsmöglichkeiten außerhalb der Schlüsselsektoren Gesundheitsversorgung, Bildung und Finanzen.

Vorbild Andreessen Horowitz

Andere südafrikanische Unternehmer zu inspirieren, ist für Thembekwayo eine Daueraufgabe. Als Risikokapitalgeber bewege er sich in Südafrika weitgehend auf Neuland. »Man kann hier nicht einfach investieren. Man muss manchmal auch Händchen halten, Tempo machen, Menschen weiterbilden.« Thembekwayo würde gerne seinen Wirkungskreis ausdehnen und die US-Risikokapitalgeber Andreessen Horowitz in Kalifornien treffen. Das Unternehmen verkörpere seine Werte – es unterstütze mutige Unternehmer beim Aufbau der Zukunft. Die Chancen, dass ein Gipfeltreffen zustande kommt, dürften intakt sein. Denn Thembekwayo ist mittlerweile ein international gefragter Redner. »Gott hat mich mit dem Talent des Redens gesegnet«, ist er überzeugt. Laut eigenen Aussagen gelang es ihm schon mit siebzehn, Tausende Afrikaner mit seinen Botschaften in den Bann zu ziehen. Wer, wie ich, das Privileg hat, sich mit ihm zu unterhalten, glaubt es ihm gerne.

Vusi Thembekwayo

Vusi Thembekwayo

Geboren in einfachen Verhältnissen in Südafrika, zählt Vusi Thembekwayo (35) heute zu den reichsten Jungunternehmern seines Kontinents. Er hat schon eine Reihe von Firmen gegründet. Und seine Ziele bleiben ehrgeizig: Mit seiner Beteiligungsgesellschaft »My Growth Fund« will er in den nächsten zehn Jahren 10 000 Arbeitsplätze in Afrika schaffen. Thembekwayo ist weit über die Landesgrenzen hinaus einem breiten Publikum als Redner und Autor und als Drache in der TV-Serie »Dragon’s Den« (»Die Höhle des Löwen«) bekannt. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern.