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Felix Uduokhai

Wäre Jesus Fußballfan?

Bei ihm kommt so leicht keiner durch: Felix Uduokhai ist Abwehrspieler beim FC Augsburg. Neben dem heiligen Rasen treibt er »Fußball mit Vision« voran. Die Initiative will die Leidenschaften Fußball und christlicher Glaube zusammenbringen.

Edith Arnold
Edith Arnold
10 min

Felix Uduokhai, wo ist Ihr Kraftort in Augsburg?

Meinen Sie das Krafttraining? Von Physik beziehungsweise Geobiologie habe ich keine große Ahnung. Nach dem Training gehe ich aber gerne an der Wertach spazieren. Der Fluss und seine Verzweigungen verlaufen durch ein großes Waldgebiet. Der Ort gehört zum Unesco-Weltkulturerbe.  

Was macht Ihr Glück weiter aus?

Meine Freundin natürlich, die ich bald heirate. Und seit zwei Wochen begleitet mich ein Bibelvers – Sprüche 16,20 – zu Glück: »Wer auf das Wort achtet, wird Gutes erlangen; und wer auf den Herrn vertraut, ist glückselig.« 

Wie sind Sie zum Glauben gekommen?

Mit achtzehn Jahren war ich dabei, den ersten Fußballprofivertrag mit 1860 München zu unterschreiben. Mein Traum realisierte sich also. Zugleich tauchten für einen Teenager eher untypische Fragen auf: Was ist der Sinn meines Lebens, was ist meine Aufgabe auf der Welt, was kommt nach dem Tod?

Und?

Aus dem Nichts schenkte mir mein bester Freund die »Kicker-Bibel«. Das überraschte, da er sonst wenig mit Glauben zu tun hatte. Aus Neugierde schlug ich das Buch auf. Vielleicht offenbarte es ja Tipps, um besser Fußball zu spielen. Dann merkte ich, dass es ein Neues Testament beinhaltet. Auch in den Zeugnissen der Spieler und Trainer las ich den Namen Jesus Christus. Meine größte Frage war dann: Wer ist dieser Herr? Was hat er gesagt, wie gelebt? Zu der Zeit bekam ich auch Einladungen zu Sportlergottesdiensten in München. 

Sportlergottesdienste?

Man nennt sie auch Hauskreise. An teilweise improvisierten Orten begegnen sich Fußballerinnen und Fußballer, meistens am Mittwoch oder Donnerstag, da Profis ja am Wochenende auf dem Fußballplatz sind. So lernte ich sportlich aktive Christen kennen; auch Handballer und Handballerinnen waren darunter. Mich faszinierte, wie herzlich ich aufgenommen wurde, wie friedlich die Stimmung unter diesen Menschen war, die bereits mit Jesus Christus gingen. 

Waren bekannte Sportler dabei?

Ja, in Erinnerung geblieben ist mir zum Beispiel Zé Roberto, via Videobotschaft. Der ehemalige Bayern-Spieler aus Brasilien und eines meiner Kindheitsidole sagte: Wir sollten dranbleiben und im Glauben wachsen. Seine Worte prägten mich sehr. Unser Sportmissionar ist ebenfalls Südamerikaner. 

Wäre das »Coming-out« ebenso als Bayern-München-Stammspieler möglich gewesen?

Schwer zu sagen, Bayern ist einer der größten Vereine weltweit. Es wird noch genauer hingeschaut, was die Spieler in der Öffentlichkeit und auf Social Media kundtun. Religiöse Statements könnten deshalb kritischer wahrgenommen werden. Aber ich glaube, von Herzen sagen zu können, dass ich mein Bekenntnis unabhängig eines Vereins oder Standes abgegeben habe. 

Aus Neugierde schlug ich die Bibel auf. Ich fragte mich: Wer ist dieser Herr?

2021, während der Covidpandemie, gründeten Sie die Initiative »Fußball mit Vision« mit. Wie reagierten Fans und Mitspieler auf die Instagram-Statements?

Grundsätzlich sehr positiv. Seit ein paar Monaten legen wir konkret Strukturen. Unsere Reichweite vergrößert sich von Baden-Württemberg auf ganz Deutschland. Wir wollen Menschen auf Augenhöhe begegnen und die Leidenschaften – die Liebe zum Fußball und zum christlichen Glauben – verbinden. Aus unserer Sicht haben wir die beste Botschaft und Hoffnung, um helfen zu können. 

Wem wollen Sie denn helfen?

Bei Menschen zwischen elf und achtzehn Jahren erkennen wir einige Nöte: Wie kann ich am besten performen am Wochenende – und nebenher die Schule bewältigen? Schaffe ich den Sprung in die nächste Altersklasse, zum Profi? Wir wollen junge Sportler auf ihrem Weg begleiten, ihnen zuhören und Rat geben. Im Profibereich ist es anders: Was ist ein gesundes Fundament fürs Leben? Viele Fußballprofis können sich zwar alles Mögliche leisten, fühlen sich aber innerlich leer. Hinzu kommt der Druck, vor bis zu 50 000 Zuschauern am Wochenende viel leisten zu müssen. Es gilt immer wieder, alles zu geben. Aber auch privat oder körperlich: Wie gehe ich mit Rückschlägen oder Verletzungen um?

Die Transfermarkt-Website gibt Einblick in die Verletzungshistorie von Profifußballern. Ihre Liste von 20/20 bis 22/23: Oberschenkelverletzung, Syndesmosebandriss, Coronavirus, Blessur. Heilt es sich als Gläubiger besser?

Gott spendet Trost in Zeiten der Not (Verletzung) und richtet einen wieder auf. Er hat uns in Jesus ein Vorbild gegeben, der das Schlimmste auf sich nahm. Deshalb kann er mit meinen Tälern mitfühlen und sie mit mir durchgehen. 

Sind Sie durch Jesus ein besserer Fußballspieler geworden?

Man weiß nie genau, was geworden wäre, wenn. Durch Jesus habe ich auf jeden Fall einen anderen Blick auf den Fußball und aufs Leben erhalten. Mein Wert ist nicht primär leistungsabhängig. Ich bin zuallererst ein Kind Gottes und gehöre zu Jesus. Er gibt mir Identität, Sinn und Wert. 

Auf dem Platz bin ich ein Krieger. Bei Kämpfen gehts hart zur Sache. Aber am Ende will ich Gegnern die Hand reichen.

Schaut sich Jesus die Spiele an?

(Lacht.) Ich glaub schon, dass Gott über seinen Kindern wacht und Freude daran hat, was sie machen. Auch, wenn sie auf dem Rasen herumrennen. Ich fühle mich in der Spielvorbereitung geborgen und auf dem Platz spüre ich, dass der Herr mit mir ist. 

Wie nehmen Sie ihn wahr?

Die Bibel spricht davon, dass wir durch Gott den Heiligen Geist empfangen. Und davon, dass wir ein neues Herz erhalten. Dieser Prozess war das Schönste in meinem Leben: Gott klopfte an meinem Herzen, arbeitete daran. Ich nahm mir Zeit, die Bibel zu lesen und zu verstehen, was das Evangelium bedeutet. Dann kam der Wunsch, den Mitmenschen davon zu erzählen, sie einzuladen. 

Ausgabe 30

No Filter – Just Botox?

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Inwiefern sind Fußballer echt, ohne Filter?

Das ist genau die Herausforderung. Ich will nicht von mir sagen, dass ich immer so bin, wie ich sein sollte. Wir sind Menschen, zuweilen mit Schwächen, Fehlern oder Schuld. In bestimmten Situationen macht man sich größer als angebracht. Ich kann anderen etwas vorspielen. Doch Gott kennt meine Gedanken und mein Herz. Das gibt Erleichterung. 

Der Fußballplatz stellt eine große Bühne dar. Sind da die Spieler nicht auch Schauspieler, die nach außen den Starken markieren müssen?

Auf dem Platz geht es darum, sein Bestes zu geben, zu glänzen. 

Fühlen Sie sich durch das Bekenntnis zum christlichen Glauben auf dem heiligen Rasen frei?

Ich bin sehr dankbar, das ausüben zu dürfen, was mir am meisten Spaß macht. Zugleich weiß ich, dass ich mit Jesus bereits den größten Sieg geschenkt bekommen habe.  

Welche offiziellen oder inoffiziellen Verhaltensregeln gibt es?

Es gibt keine spezifischen Gebote, in der Bibel steht nichts über den Fußball. Aber man kann vieles ableiten: die Art und Weise, wie wir Menschen begegnen. Ich habe für mich einen Rahmen definiert, in dem ich mich bewege: Auf dem Fußballplatz gebe ich hundert Prozent. Dort bin ich ein Krieger und tue alles dafür, dass meine Mannschaft gewinnt. Trotzdem will ich weder unfair spielen noch unfair gewinnen durch Tricksereien, die keiner sieht. Bei Zweikämpfen geht es manchmal hart zur Sache. Fußball ist ein körperbetonter Sport. Man sollte aber keine Beleidigungen sprechen oder den Gegner emotional aufregen. Wichtig ist auch, sich am Ende des Spiels die Hand zu reichen. 

Im Regelwerk des Deutschen Fußballverbands steht, »Spieler dürfen keine Unterwäsche mit politischen, religiösen oder persönlichen Slogans, Botschaften oder Bildern oder Werbe-aufschriften mit Ausnahme des Herstellerlogos zur Schau stellen«.

Ja, Kaká, ein weiterer brasilianischer Starfußballer, dürfte sein Unterhemd mit der Aufschrift »I belong to Jesus« heute wohl nicht mehr auf dem Platz zeigen. Doch es gibt andere Möglichkeiten, auf Jesus hinzuweisen. 

Nämlich?

Viele gläubige Fußballspieler kleben sich weiße Bänder um den Arm. Einige schreiben »Jesus« drauf oder einen Bibelvers. 

Was würden Sie aufs Band schreiben? 

Meinen Lieblingsbibelvers, Psalm 23: »Er weidet mich auf einer grünen Aue und führt mich zum frischen Wasser. Er gibt mir neue Kraft (…)«

Welche Gesten machen Sie jeweils?

Beim erfolgreichen Verteidigen jubelt man nicht so direkt, weil die Zeit dazu nicht reicht, das Spiel schnell weitergeht. Aber nach dem Spiel bedanke ich mich beim Herrn, indem ich die Zeigefinger nach oben richte und ein kurzes Gebet spreche. 

Ihr göttlichster Moment auf dem Fußballplatz?

2020, beim Spiel Augsburg – Schalke 04, prallte ich stark mit Mark Uth zusammen. Das Spiel wurde längere Zeit unterbrochen. Es war schrecklich, der Gegenspieler lag bewusstlos da. Mannschaftskollegen und ich begannen, auf dem Fußballplatz zu beten. Einige Tage später konnte Uth wieder spielen – eine tröstende Erinnerung. 

Wie sehen Sie die neuerliche Verwandlung eines Kevin-Prince Boateng? Der »Bad Boy« hat in Australien offenbar den »Holy Spirit« empfangen.

Die Türen sind allen offen. Ich habe mich sehr über die Nachricht gefreut und wünsche ihm den Frieden Gottes.

Maradona hat sich als Fußballgott verewigt, seine »göttliche Hand« ist legendär. Weshalb ist der christliche Glaube in der lateinamerikanischen Fußballwelt so präsent?

Wohl wegen der Geschichte: Viele christliche Missionare begaben sich nach Südamerika. Der Glaube wird von zu Hause mitgegeben, eine gewisse Ehrfurcht vor Gott nach wie vor hochgehalten. 

Wie unterscheiden sich gläubige Südamerikaner, Europäer und Afrikaner?

Südamerikaner haben einen offeneren Umgang mit dem Thema als wir. In Afrika gibt es viele Stammesreligionen, die wir hier nicht kennen. Weit verbreitet sind das Christentum und der Islam: An der letzten Weltmeisterschaft gingen Bilder viral, welche die marokkanische Nationalmannschaft beim Zitieren von Suren zeigen.   

Wie beeinflusste Sie das nigerianisch-deutsche Elternhaus?

In meinen Kinderjahren besuchten wir eine deutsche Gemeinde. Diese fand ich damals eher kühl. Die nigerianischen Wurzeln gaben mir eine fröhlichere Art, den Elan und Tatendrang, etwas anpacken zu wollen. Leider hält sich das Bild in Deutschland noch, dass das Christentum altbacken ist, langweilig. Aber eigentlich ist es das Spannendste, finde ich. Man muss sich darauf einlassen, sich damit beschäftigen. Außerdem sollte man nicht unterschätzen, was das Christentum die letzten Jahrhunderte getan hat. 

Liebe deinen Nächsten?

Es gibt noch vieles andere. Unsere westliche Zivilisation beruht auf dem Christentum. Es ist das Fundament, auf dem wir leben, der Reichtum, den wir haben, etwa das Miteinander. 

Ich prallte in einem Spiel so stark mit Mark Uth zusammen, dass er bewusstlos liegen blieb. Da half nur noch beten.

Finden Sie das Christentum modern?

Mich fasziniert die Bibel. Sie hat Jahrtausende überlebt, ist das meistgelesene Buch der Welt und erreicht weiter Menschen aller Hintergründe, Kulturen, Religionen. Gibt es etwas anderes, welches das so geschafft hat? Vielleicht das Handy. 

Haben Sie weitere Leitsätze auf dem Handy?

Fürs Lesen bevorzuge ich Papier. Kürzlich entdeckte ich den Theologen und Philosophen Erasmus von Rotterdam. Diesem Satz stimme ich zu: »Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit.« Viele Leute halten auch die Christen für etwas verrückt: woran die da so glauben – übers Wasser gehen, Kranke heilen, Brot vermehren. Wir haben Freude mit dem Herrn Jesus Christus. 

Welche Rituale pflegen Sie?

Jeden Morgen halte ich eine stille Zeit, in der ich in der Bibel lese und bete. Tagsüber, beispielsweise beim Autofahren, mache ich Stoßgebete. Die sind ganz einfach: Lass mich gut ankommen! Wenn ich Menschen sehe, denen es offensichtlich nicht gut geht, bete ich kurz für sie. Im Zug habe ich manchmal das Gefühl, dass viele Menschen in der eigenen Bubble leben. Sie verhalten sich gestresst und genervt, wollen einfach an ihrem Ziel ankommen. Obwohl es so viel Reichtum in Deutschland und in der Schweiz gibt, sind viele Menschen unzufrieden. 

Als Profifußballer verdienen Sie sehr gut. Ihr liebster materieller Luxus?

Ich genieße es, mit der Familie oder Freunden Urlaub zu machen. Die letzten Jahre war ich in Griechenland, Frankreich, Spanien. Dort leiste ich mir schöne Unterkünfte, gutes Essen. 

Kein sichtbarer Luxus?

Ich muss mir keine bestimmten Uhren oder Klamotten kaufen. Am teuersten ist vielleicht mein Auto – ein Audi Q5 in mattem Grau-schwarz. 

Sie möchten nicht weiter über die materielle Welt sprechen?

Ich möchte von meiner Seite noch eine Frage loswerden. Darf ich?

Bitte!

Wie orientieren Sie sich oder woran glauben Sie?

An den Gott, der die Welt erschaffen hat. Ich lebe neben einem Wald. Wenn ich das Netzwerk aus Pflanzen, Tieren, Pilzen betrete, ist das für mich wie der Gang in eine Kathedrale. Die Erde als Lebewesen kommt der »Mutter Erde«, wie Papst Franziskus sie nennt, nahe. 

Was ist das Unheiligste, das Sie tun?

(Augenzwinkern) Ich benutze ab und zu das Waschpulver meiner Nachbarn.

Felix Uduokhai

Felix Uduokhai

Abwehrspieler beim FC Augsburg

Seit Vater kommt aus Nigeria, seine Mutter aus dem Erzgebirge: Als Bundesligaprofi kickt Felix Uduokhai derzeit für den FC Augsburg. Zuvor kam er viele Jahre als DFB-Juniorennationalspieler zum Einsatz. 

2021 nominierte ihn Joachim Löw erstmals für die deutsche Nationalmannschaft. Uduokhai, der auch auf den Ski eine gute Falle macht, engagiert sich bei »Fußball mit Vision« und will die junge Generation inspirieren.