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Monika Lepel

Was macht einen guten Arbeitsplatz aus, Frau Innenarchitektin?

Monika Lepel gestaltet mit Leidenschaft Büros, in denen Menschen gern und produktiv arbeiten sollen. Wie man mit Räumen Begegnungen schafft, Emotionen weckt und warum sie sogar heilsam sein können, verrät die preisgekrönte Innenarchitektin im Interview.

Simon Jahn
Simon Jahn
9 min

Frau Lepel, wie sah Ihr erster Arbeitsplatz aus?

Es war ein sehr modernes, gemütliches Großraumbüro. Ich arbeitete als einzige Innenarchitektin zwischen dreißig Architekten. Alle saßen offen, aber mein Platz war auf einer um fünf Stufen erhöhten kleinen Empore. Diese räumliche Differenzierung war sehr angenehm. Mein Tisch hatte eine verschiebbare Schiene, weil ja alles noch von Hand gezeichnet wurde. Der Kollege, der mir gegenübersaß und mit dem ich zwei Jahre lang an einem Projekt arbeitete, wurde später mein Trauzeuge und ist heute unser bester Freund.

Apropos heute: Sie haben gerade neue Büroräume bezogen. Was macht diesen Ort hier besonders?

Das Thema »Beziehungen bauen« ist in dem Gebäudekomplex »Clouth 104« stark ausgeprägt. Wenn ich zur Arbeit komme, verschwinde ich nicht einfach im Aufzug und bin dann weg in meinem eigenen Unternehmen. Durch den Innenhof und die Laubengänge ist viel Raum zur Begegnung mit anderen Menschen, die hier arbeiten. Sie werden viel schneller sichtbar.

Was war Ihnen wichtig bei der Gestaltung der eigenen Räume?

Mit unserem Büro wollten wir unbedingt oben sein, um den Himmel zu sehen. Ansonsten haben wir darum gerungen, wie wir unsere Leidenschaft für Arbeit am besten sichtbar machen. Wir sind ja sowohl Architekten, die sehr robust sind und große Strukturen mögen, als auch Innenarchitekten, die es auch fancy mögen, mit liebevollen Details und Farbe. Das beides zusammenzubringen – nicht in Konkurrenz, sondern in schöner Einheit –, das hat uns viel Freude bereitet.

Spricht man von Büroatmosphäre, geht es in der Regel eher um ein kühles, steriles Umfeld als um Behaglichkeit. Hat sich das Image von Büros in den vergangenen Jahren verändert?

Absolut. Menschen wollen stolz auf ihren Arbeitsplatz sein und dazu muss er auch schön sein. Der Aspekt des Sehens und Fühlens steht mehr im Vordergrund. Das birgt aber auch die Gefahr in sich, dass manche Sachen nur fürs Auge gemacht werden. Es gibt im Prinzip zwei Phänomene: Entweder ist alles total ausgefallen oder doch wieder ganz öde. Ich denke aber, dass sich beide Tendenzen bald wieder harmonisieren werden und es dann mehr darum geht, was funktioniert und was nicht. Die meisten Leute wünschen sich nämlich vor allem ein gut funktionierendes Umfeld – auch emotional. Und da spielt der Faktor, in einer guten Spannung zu arbeiten, eine große Rolle. Ich hasse es, in Entwürfen das Wort Lounge zu verwenden. Eine Lounge hat für mich nichts mit Arbeit zu tun, sondern gehört in ein Hotel. Dieses rückenungesunde Rumhängen in schlechten Lichtverhältnissen, da weiß man nie genau, was eigentlich dabei herauskommt. Wir bauen lieber Arenen, die viel körperbetonter sind und schneller in ein gemeinsames Handeln münden.

Durch die Digitalisierung werden alle Prozesse, die noch von Menschen gemacht werden, kreativ sein.

Wohin geht die Entwicklung?

Fleißarbeit wird es bald nicht mehr geben. Durch die Digitalisierung werden alle Prozesse, die noch von Menschen gemacht werden, kreativ sein. Denn das ist das, was Rechner nicht können.

Sind feste Arbeitsplätze ein Auslaufmodell?

Die einen brauchen keinen festen Arbeitsplatz, weil sie oft beim Kunden sind, viele Meetings haben oder nur einmal pro Woche ins Büro kommen. Die gut machbare Möglichkeit, von zu Hause oder von anderen Orten aus einen relevanten Beitrag leisten zu können, halte ich darum für unentbehrlich. Aber gut arbeiten zu können, heißt auch, Vertrautem zu begegnen. Nicht indem ich lauter Kinderzeichnungen und Insignien meines Hobbys um mich herum aufstelle, sondern indem ich weiß, wo ich hinkomme. Darum sind feste Arbeitsplätze in Unternehmen kein Auslaufmodell.

Welche Funktion kommt dem Arbeitsplatz in Zukunft zu?

Er ist vor allem ein sozialer Faktor, ein Ort qualitativer Begegnungszeit. Alles andere kann man von überall aus machen. Er soll inspirieren, zusammenbringen und die Haltung eines Unternehmens oder eines Projekts mit allen Sinnen erfahrbar machen. Da geht es vielmehr ums Erleben als um Produkte.

HGEsch Photography
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In diese »phone booth« können sich die Micro-soft-Mitarbeiter zurück-ziehen, um konzentriert und ungestört zu arbeiten und zu telefonieren.

Wie begegnen Sie diesen Tendenzen in Ihren Arbeiten?

Wir denken die Arbeitsplätze sehr stark mit Kommunikationsbereichen zusammen: Der Arbeitsort geht quasi fließend über in gemeinsames Besprechen oder Möglichkeiten zu visualisieren.

Auf den Punkt gebracht: Was macht einen guten Arbeitsplatz aus?

Er ist Heimat und Werkstatt zugleich. Heimat spricht das Wirgefühl und die Verbundenheit an. Werkstatt steht für den Willen, schöpferisch tätig zu sein und Ergebnisse zu erzielen.

Woher rührt Ihre Leidenschaft für schön gestaltete Räume?

In meinem Elternhaus war es immer wichtig, in einer schönen Umgebung zu sein und Dingen Wertschätzung zu geben. Zum anderen hat mich mein Vater auch sehr darin geprägt, sich um Menschen zu kümmern. Als Hauptabteilungsleiter einer großen Versicherung hat er früh erkannt, welche Chancen in der Textverarbeitung liegen. Er sagte: Wenn wir Textbausteine herstellen, müssen nicht so viele Briefe mit großem Aufwand geschrieben werden. Die Frauen, die dafür zuständig sind, können doch, wenn sie fertig sind, ruhig stricken oder sich unterhalten. Als Jugendliche ging ich durch die großen Firmenräume und sah, wie sich die Leute austauschten und strickten. Und das zählte genauso zur Arbeit. Mich machte das unglaublich stolz, weil ich wusste: Das hat mein Vater mit bedacht! Und daher rührt letztlich auch meine Leidenschaft für Arbeit. Es gibt einen krassen Unterschied zwischen Paradies und Schlaraffenland: Im Paradies ist Arbeit völlig okay. Im Schlaraffenland liegen dagegen fette Leute und lassen sich die Trauben in den Mund wachsen. Und ob das auf Dauer so sexy ist, weiß ich nicht.

Raum bedeutet für Sie Emotion. Wie füllt man einen Raum mit Emotionen?

Emotional wird ein Raum dann, wenn man ihn verdichtet. Dafür braucht es ein entschiedenes Auswählen. Denn nur, wenn man Dinge weglässt, wird man in der Aussage klar und fokussiert.

Welche Rolle spielt die Gestaltung des Arbeitsraums dafür, dass ein Mitarbeiter gern ins Unternehmen kommt?

Der Stolz auf das Unternehmen, wie es sich durch Raum präsentiert, ist ein enormer Faktor. Wenn man nachfragt, wie wichtig Angestellten das räumliche Umfeld am Arbeitsplatz ist, kommt man bei einer Skala von 1 bis 10 meist bei einem Schnitt von 7 raus.

Die Sehnsucht danach ist riesengroß, gesehen und angesehen zu werden - besonders dort, wo Menschen in der Arbeit selbst wenig vorkommen.

Sie haben es auch einmal so formuliert: »Schön gestaltete Räume vermitteln Wertschätzung und sind für den Menschen heilsam.« Inwiefern?

In manchen Firmen beschäftigen sich Feel-good-Manager damit, was es beispielsweise braucht, um sich auf der Toilette wohlzufühlen. Dem einen reicht Klopapier, andere wünschen sich ein Desinfektionsmittel, eine Handcreme oder eine Möglichkeit, persönliche Dinge ablegen zu können. Die Sehnsucht danach ist riesengroß, gesehen und angesehen zu werden. Und das ist dort nochmal wichtiger, wo Menschen in der Arbeit selber nicht so stark vorkommen. Manchmal haben wir Kunden, da denken wir uns: Diese Mitarbeiter haben es wirklich verdient, dass wir ihnen etwas Gutes tun. Und deren Feedback ist später oft: Vielen Dank! Ich komme wirklich gern ins Büro, weil ich erlebe, dass sich hier Menschen für mich Gedanken gemacht haben!

Wie entwickeln Sie Ihre Ideen?

Die Positionierung und die Ziele der Unternehmen sind der erste Ausgangspunkt. Der zweite ist unser Bild von der Firma und unsere Fähigkeit, ein eigenes Thema für sie zu setzen. Dadurch spiegeln wir etwas zurück und gehen dann in den Dialog. Wir sind in einem hohen Maß empathie- und begeisterungsfähig für den Kunden. Manchmal gibt es aber auch Firmen, bei denen wir merken: Für deren Ziele können wir uns nicht einsetzen. Dann wird es schwierig für uns, zu arbeiten. Solche Projekte setzen wir auch nicht um.

Der Dialog zwischen dem Selbstbild der Kunden und Ihrer Einschätzung ist sicher nicht immer ganz einfach, oder?

Am Anfang eines Projektes fragen wir: Wie soll es denn wirken? Das halten wir dann schriftlich fest. Und wenn es später um die Maßnahmen geht und der Kunde sagt: Ich hätte aber lieber einen schwarzen Boden und eine grüne Wand, entgegnen wir: Moment, Ihr Ziel war aber, dass der Raum so und so wirken soll. Diese Maßnahme passt nicht zu Ihrem Ziel. Da sind wir dann auch knallhart und verargumentieren das. Wir fragen: Wollen Sie das wirklich so haben oder möchten Sie Ihrem Ziel folgen?

Ihre Arbeiten zeichnen sich durch eine besondere Liebe zum Detail aus. Wovon lassen Sie sich inspirieren?

Von meinen Mitarbeitern! Beim Bedenken der Details lassen wir uns total vom Körper und unseren Sinnen leiten: Was fassen wir an, was ist noch sichtbar und was ist noch glaubwürdig? Dieses Gefakte, Oberflächliche ist ja überhaupt nicht nachhaltig – weder ökologisch, noch ökonomisch. Es lohnt sich doch nur, über etwas gut nachzudenken, wenn man weiß, dass es lange halten muss. Und genau das wollen wir. In manchen von uns gestalteten Büros, wo die Mieter gewechselt haben, hat die neue Firma die Innenarchitektur komplett übernommen – weil es viel zu schade wäre, das einfach wegzuschmeißen.

Sie haben auch ein Faible dafür, Kirchen und Kirchenräume umzugestalten. Was reizt Sie daran?

Bei anderen Projekten ordnen wir mit unserer Arbeit die Beziehungen zwischen Menschen, Dingen und Prozessen. In Kirchen ordnet der Raum zusätzlich die Beziehung zu Gott. Er hilft, sich mehr auf ihn zu fokussieren und den Blick nochmal höher und gleichzeitig tiefer nach innen zu richten. Das hat natürlich auch mit meinem persönlichen Interesse zu tun, weil ich begeistert an Gott glaube. Als Innenarchitektin reizt mich zudem, dass ich meist auf einem hohen Niveau über Ziele sprechen kann. Außerdem fordern mich Kirchenräume immer dazu heraus, noch eleganter, noch fokussierter und noch ausgewählter zu arbeiten. Wie beim Tempelbau in der Bibel möchte ich nur die besten Materialien nutzen und das Ehrlichste schaffen – keinen billigen Klapperatismus, wie höhenverstellbare Kanzeln (lacht).

Wird das tatsächlich nachgefragt?

Es wird immer wieder gewünscht. Aber da gibt es dann auch immer wieder eine Frau Lepel, die sagt: Leute, das kriegen wir besser hin!

Spielt der Glaube also für Ihre Arbeiten eine wichtige Rolle?

Nein. Für mich spielt eine Rolle, dass ich mich wahrnehme als durch und durch geliebtes Kind Gottes und als durch und durch schwerstbegabt. Wie ein Kind ringe ich mit dem liebenden Vater darum, eine Robustheit gegenüber Problemen an den Tag zu legen, die es beim Bauen immer gibt – und dadurch freudig, gelassen und vertrauensvoll zu werden. Das klappt am besten, seitdem wir uns als Firma immer stärker professionalisiert haben. Ich bin ein großer Fan davon, Arbeiten nicht mit Glauben zu verwechseln.  

Was für ein Projekt würde Sie noch reizen?

Die Lobby der Vereinten Nationen zu gestalten. Es gibt ja kulturell bedingte Ordnungen zwischen uns – etwa die Abstände zu unserem Gegenüber. In den verschiedenen Erdteilen herrschen da im Detail andere Abstimmungen. Der Begegnung dieser unterschiedlichen Ordnungen Raum zu verschaffen, fände ich unheimlich spannend! Und Stadträume - Orte, wo Menschen öffentlich und halböffentlich zusammenkommen. Das könnte ich mir gut als Alterswerk vorstellen.

Lucia Bartl
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Ernst & Young, Ravensburg
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GIZ, Bonn
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HRS Group, Köln
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Microsoft, Köln
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Microsoft, Köln
Monika Lepel

Monika Lepel

Ihr Portfolio umfasst Kunden wie EY, Microsoft und Telekom genauso wie Geigenbaumeister Martin Schleske, Hochschulen und Kirchengemeinden. Seit 1993 gestaltet die Innenarchitektin Monika Lepel (57) gemeinsam mit ihrem Mann Reinhard mit der Firma »Lepel & Lepel Architektur, Innenarchitektur« inspirierende Arbeitswelten. Die in Köln beheimatete Innenarchitektin erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Deutschen Innenarchitekturpreis. Ihre Leidenschaft gilt besonders der Umgestaltung von Kirchen. Darüber hinaus ist sie als Referentin und Jurorin tätig.