David Vogt
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Dina Reit

Wie ist es als Chefin in einer Männerdomäne?

Ihre Firma SK Laser stellt Lasermaschinen für Gravur, Beschriftungen und Abtrag her: Seit sie das Maschinenbauunternehmen ihres Vaters übernahm, wirkt Dina Reit als junge Frau als Chefin in einem Umfeld, das fast nur männliche Führungskräfte vorzuweisen hat. Ein Gespräch darüber, wie sie es schafft, dabei authentisch zu bleiben.

Nicolai Franz
Nicolai Franz
9 min

Frau Reit, wie kommt man als Maschinenbauchefin im Mittelstand zu 45 000 Followern auf LinkedIn?

Das war nie von langer Hand geplant. Unsere Laser halten eben sehr lange, zwischen sechzehn und achtzehn Jahre. Deswegen brauchten wir ständig Neukunden, die wir vor allem durch Messen bekommen. Als Corona kam, fielen die Messen aus, also mussten wir digitaler werden. 2020 habe ich darum mit LinkedIn angefangen. Zuerst lief es nicht besonders gut, aber mit der Zeit hatte ich den Dreh raus und baute eine Community auf. Das hat Spaß gemacht – und als ich 2021 meinen ersten viralen Beitrag hatte, dachte ich mir: Wow, da ist ja richtig Musik dahinter!

Welcher Beitrag war das?

Der Beitrag hieß »Mein Vater, mein Mentor«. Es wurde fast eine Million Mal geklickt. Danach riefen Journalisten an und wollten Interviews mit mir führen. Da haben wir zum ersten Mal gemerkt, dass durch eine solche Reichweite wirklich etwas passieren kann. Seitdem lade ich regelmäßig Videos hoch, selbst wenn ich im Urlaub bin. 

Ich möchte als Mensch greifbar sein und Entscheidungen transparent machen.

Was bedeutet Ihnen Ihr Vater als Mentor?

Ich kann mit ihm über alles reden, ihm zu jeder Tages- und Nachtzeit meine Sorgen mitteilen, und er gibt mir Tipps. Führung muss man lernen. Auch wenn man eine Begabung dafür hat, muss man auf Feinheiten achten und Fingerspitzengefühl beweisen. Da hat mir mein Vater viel gezeigt. Ich bin ihm sehr dankbar.

Wollten Sie schon immer Unternehmerin werden?

Ich habe schon während meiner Schul- und Studienzeit auf Messen für unser Familienunternehmen gejobbt. Die Arbeit mit Lasern war mir eigentlich zu technisch, außerdem musste mein Vater so hart schuften, dass ich lieber in einem anderen Bereich arbeiten wollte. Also studierte ich erst einmal Wirtschaftswissenschaften, später parallel Kunstgeschichte und Philosophie. Ich wollte Kuratorin im Museum werden. Im Städel hier in Frankfurt machte ich ein Praktikum und dachte, das sei der Startschuss meiner Kulturkarriere. Aber ich merkte , wie wenig Handlungsspielraum man da hat. Ein Großteil der Entscheidungen wird von Kunstmäzenen getroffen, in Frankfurt sind das meistens die Banken. Natürlich ist es schön, dass die das machen. Aber ein Freiraum, wie ich ihn als Kind von meinem Vater kannte, fehlte mir sehr. Außerdem hatte ich im Museum weniger mit Kunst zu tun als mit Word-Dokumenten, Excel-Listen und E-Mails. Ich dachte mir: Ob ich jetzt die Maße eines Kunstwerks per E-Mail weitergebe oder die Maße eines Lasers, ist auch egal. Also habe ich dann 2016 noch einen Master im Management gemacht und bin anschließend bei SK Laser eingestiegen. 

Sie haben als Kind hautnah mitbekommen, wie hart es ist, ein Unternehmen zu gründen. Hat Sie das nicht abgeschreckt?

Voll. Bei der Gründung von SK Laser war ich dreizehn. Die ersten Jahre waren eine sehr entbehrungsreiche Zeit, auch für uns als Familie. Mein Vater hat die ganze Zeit gearbeitet. Selbst wenn wir mal zusammen im Urlaub waren, hing er pausenlos am Telefon. Ich weiß noch, wie wir als Kinder hinten im Auto saßen und es hieß: »Jetzt müsst ihr ganz leise sein, das ist ein ganz wichtiger Anruf!« Das war schon sehr spannend und belastend. Die Sorgen der Eltern bekommt man als Kind mit. Meine Mutter war nicht berufstätig, sie hat aber voll zu meinem Vater gehalten. Davor habe ich Riesenrespekt, weil es ständig auf und ab geht. Ich habe auch manchmal Phasen, in denen ich denke, wir gehen bald pleite, und zwei Tage später scheint es, wir sind der König der Welt und müssen fünfzehn Leute einstellen. 

Was macht für Sie authentische Führung aus?

Heute hatte ich ein Mitarbeitergespräch, in dem ich irgendwann selbst von meinen inneren Ängsten und Sorgen erzählt habe. Ich glaube, das gehört wirklich dazu. Als Mensch greifbar zu sein, und dafür zu werben, warum man gewisse Entscheidungen trifft. Gerade bei harten Veränderungen. Wir haben zum Beispiel jetzt die Dienstleistungssparte ganz dichtgemacht, also dass wir Werkstücke für Kunden mit unseren Lasern bearbeiten. Das war schon länger nicht mehr profitabel für uns. Die Entscheidung war hart, weil Leute leider gehen mussten. Wir haben ihnen den Schritt frühzeitig angekündigt und versucht, ihnen Möglichkeiten zu bieten, wie sie im Unternehmen bleiben können. Authentisch zu führen, bedeutet also zum Beispiel, Entscheidungen transparent zu erklären.

Und sich dabei auch angreifbar zu machen?

Ja, sonst nimmt man die Menschen nicht mit.

Sie sind eine junge Geschäftsführerin in einer männerdominierten Branche. Muss man sich da nicht manchmal auch ein paar harte Bandagen zulegen, um den Bad Cop spielen zu können? Zum Beispiel in Preisverhandlungen mit Geschäftspartnern?

Ich habe schon Situationen erlebt, wo man hart bleiben muss.

Ist man dann noch authentisch?

Ich denke schon. Im Unternehmen haben wir uns als Ziel gesetzt, fair miteinander umzugehen, nicht zu lügen und jeden Menschen zu respektieren. Das gilt sowohl für intern als auch für extern. Ich habe auch schon erlebt, dass ein Kunde sich wirklich unmöglich gegenüber einem unserer Mitarbeiter verhalten hat. Wenn man dann dort anruft oder hinfährt, um das Problem anzusprechen, sich diese Leute aber nicht kooperativ zeigen – dann kannst du irgendwann auch nicht mehr kooperativ sein. Sondern du musst klare Worte finden. Unsere Werte sind uns wichtig. Man darf sich nicht weichmachen lassen, wenn diese Werte missachtet werden.

Fairness, Ehrlichkeit – welche Werte sind Ihnen noch wichtig?

Familie. Das habe ich erst mit der Zeit gelernt, aber ich arbeite sehr gerne mit meiner Familie. Mein Vater ist noch drei Tage die Woche hier tätig, meine Mutter zwei Tage die Woche. 

Was verstehen Sie unter »Familie« als Wert? Loyalität?

Zusammenhalt. Das ist mir auch wichtig bei meinen Leuten. Wenn irgendwas los ist im Kindergarten oder die Kinder krank sind, bekommen die Mitarbeiter frei oder können Krankheitstage nehmen.

Ausgabe 30

No Filter – Just Botox?

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Haben Sie ein Motto?

Ich muss sofort an zwei Sätze denken. Einer hängt bei meiner Oma über dem Bett: »Wer aufhört zu kämpfen, hat schon verloren.« Ich glaube, da ist viel Wahres dran. Aber natürlich ist das auch diese Kriegsgeneration, die sich alles hart erarbeiten musste. Den zweiten höre ich immer wieder von meinem Vater: »Das Glück hilft den Fleißigen.« Ja, man braucht Glück. Aber man muss auch etwas dafür tun.

Sie sind 31. Jungen Leuten sagt man nicht unbedingt nach, dass harte Arbeit ihr Lebensmotto ist, sondern eher, möglichst viel Freizeit zu haben.

Der Wunsch nach Zeit für die Familie und nach Gesundheit gilt universell, nicht nur für die Generation Z oder die Millennials. Für meine Großeltern war der Leistungsgedanke deswegen so wichtig, weil sie eine achtköpfige Familie zu ernähren hatten und nebenbei noch ein Haus bauten. Heute gibt es viel stärkere soziale Netze. Manchen jungen Leuten ist freie Zeit wichtig, andere opfern sich so für ihren Job auf, dass sie auf der anderen Seite vom Pferd fallen. Ich glaube, man muss das in einem anderen Kontext betrachten: Unsere Konkurrenz sitzt weltweit, etwa in den USA und in China. Die Firmen dort verschwenden keinen Gedanken daran, die Viertagewoche einzuführen. Wir produzieren Laser in der Regel mit Menschen, in unserem Bereich ist der Automatisierungsgrad nicht unendlich hoch. Daher gilt: Wenn wir weniger arbeiten, produzieren wir auch weniger. Unsere internationale Konkurrenz würde sagen: Super, dann überholen wir euch. Wir haben jetzt schon einen Fachkräftemangel. In den nächsten acht Jahren, wenn die Boomer in die Rente gehen, fehlen uns acht Millionen arbeitende Menschen. Ich hoffe, wir können diese Lücke durch Zuwanderung füllen. Und: Im Blick auf unser immer weiter kollabierendes Rentensystem müssten wir eigentlich mehr arbeiten. Wir sollten nicht über die 36-Stunden-Woche nachdenken, sondern über die 46-Stunden-Woche. Ich fordere das nicht, wir müssen aber die Realität anerkennen.

Man darf sich nicht weichmachen lassen, wenn seine Werte missachtet werden.

Im Maschinenbau lag der weibliche Anteil unter den Ingenieuren im Jahr 2022 bei elf Prozent. Fühlen Sie sich als
Frau akzeptiert?

Ich habe mir vor meinem Einstieg immer wieder die Frage gestellt, wie kann ich mich ohne technischen Hintergrund als junge Frau in einem solchen Unternehmen behaupten? Heute weiß ich, dass das nur Mauern in meinem Kopf waren. Ich wurde nie diskriminiert oder fertiggemacht im Berufsumfeld. Okay, auf einer Messe wurde ich mal für eine Hostess gehalten. Aber als ich dem netten Herrn fachkundig unseren Laser erklärte, hat er sich ganz schön gewundert. Sowas kratzt nicht besonders an meinem Selbstbewusstsein. Trotzdem musste ich diese Mauern in meinem Kopf einreißen. Mein Vater hat mir immer gesagt: Dina, ich traue dir das voll zu, du kannst das schaffen. Das hat sehr geholfen. Und dass ich ein Jahr lang in der Konstruktion gearbeitet habe, wo am Computer 3-D-Modelle unserer Maschinen entstehen. Irgendwann habe ich mich sattelfest gefühlt in diesen technischen Dingen. Trotzdem habe ich mich gefragt, warum es kaum eine andere Frau geschafft hat in dem Bereich. Ich habe dann im Internet recherchiert. Als ich damals die Unternehmerin Vanessa Weber gefunden habe, habe ich ganz aufgeregt zu meinem Mann gesagt: Schau mal, da ist eine Frau, die fast das Gleiche macht wie ich! Das hat mich sehr gefreut.

Können Sie in dieser Führungsposition einfach Frau sein, oder haben Sie den Eindruck, Sie müssten sich typisch männlich verhalten? 

Diese Fragen stelle ich mir nicht mehr. Ich bin jetzt einfach so, wie ich bin. Ich kreuze hier auch mit knallroten Fingernägeln auf und laufe in bunten Anzügen herum, was eher untypisch ist für den Maschinenbau. Aber das ist mir egal. 

Man sieht hier jedenfalls sofort, wer die Chefin ist.

Vor zwei Jahren war ich auf einem Maschinenbaugipfel in Berlin und trug einen Anzug in Neonpink, ich sah aus wie ein Textmarker. Im Frühstücksraum saßen nur Männer, allesamt in Dunkelblau und Dunkelgrau. Ich dachte: Scheiße, ich muss mich noch mal umziehen. 

Warum? Auf den G20-Gipfeln sah man immer Angela Merkel herausblitzen. Das hat doch Vorteile: Man wird sofort erkannt.

Genau so war es. Abends haben mich dann mehrere Leute angesprochen, weil sie mich den Tag über im knalligen Anzug gesehen hatten.

Was hätten Sie gerne, dass Ihre Mitarbeiter über Sie sagen? 

Dass ich fair bin und das Unternehmen gut in die Zukunft geführt habe. Das ist mir das Wichtigste. 

Dina Reit

Dina Reit

Geschäftsführerin von SK Laser

Dina Reit hätte nie gedacht, einmal in der Maschinenbaubranche zu arbeiten, auch wenn sie diese durch ihren Vater von klein auf kannte. Ihr Unternehmergen entdeckte sie, als sie in einem Museum arbeitete – eigentlich ihre Leidenschaft, aber ihr fehlte etwas: Gestaltungsfreiheit. Die hat sie nun als Geschäftsführerin von SK Laser. Auf LinkedIn hat Reit über 45 000 Follower, die sie mit Unternehmenstipps und Laserexperimenten begeistert.