Michael Studer
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Klaus Merg & Susanne Merg

Wie kommen wir vom Gegeneinander zum Füreinander, Herr und Frau Berater?

32 Jahre verheiratet, 25 Jahre gemeinsam als Berater unterwegs: Die Impulse von Susanne und Klaus Merg haben manche Unternehmenskultur grundlegend verändert. Das Geheimnis hinter dem Erfolg bleibt aber vielen Klienten verborgen.

Markus Städeli
Markus Städeli
9 min

Physiklaborant und Ingenieurin: Warum haben Sie beide Ihre alten Berufswege verlassen und eine Beratungsfirma gegründet?

Klaus Merg: Ich habe gemerkt, dass ich lieber mit Menschen arbeite. Darum wurde ich zum Theologen, elf Jahre arbeitete ich als Jugendpastor. Parallel dazu studierte ich Sozial- und Diplompädagogik. Danach habe ich Trainerausbildungen absolviert. Seit 1995 sind wir die Unternehmensberater Merg & More.

Susanne Merg: Auch mir wurde klar, dass mich Menschen viel mehr interessieren, als Produktionsabläufe zu überwachen. Ich studierte darum ebenfalls Sozial- und Diplompädagogik.

Unser Motto in Führungstrainings ist gewöhnungsbedürftig: »Ehre teilen«.

Sie bieten Seminare und Coachings an. Kann das eine auch zum anderen führen?

Klaus: Ja, wenn wir viel Zeit mit Menschen verbringen können. Bei Daimler haben wir zum Beispiel ein Nachwuchsprogramm für Führungskräfte betreut. Über drei bis vier Jahre konnten wir da junge Menschen prägen.

Und was passierte?

Susanne: Die Teilnehmer fanden, es wäre gut, gleich noch ein Eheseminar dranzuhängen. Der Mercedes-Konzern sagte: »Könnt ihr gerne machen, liebe Mitarbeiter, doch nicht auf unsere Kosten.« Wir haben den Kurs dann privat angeboten. Am Ende des Eheseminars wünschten die Teilnehmer noch ein Seminar für die Kindererziehung.

Was macht Ihre Seminare denn so speziell? 

Klaus: Die Themen, die wir behandeln, sind klassisch: Zeitmanagement, Führung, Verkauf, interkulturelle Kompetenz. Doch unser Motto bei den Führungstrainings ist ungewöhnlich. Es lautet: »Ehre teilen«. Der entscheidende Punkt ist, dass ein Manager heute nicht mehr alleine gewinnen kann. Er braucht zwingend ein Team von Mitarbeitern und anderen Führungskräften, um Erfolg zu haben.

Susanne: Das Geheimnis ist, dass einer den anderen höher achten muss als sich selbst. Erst dadurch bekommen wir eine Potenzierung des Potenzials der einzelnen Mitarbeiter hin. Es ist ja schon super, wenn wir im Bereich Addierung liegen, das heißt, wenn sich Arbeitskollegen nicht gegenseitig blockieren. Doch eine Potenzierung gelingt nur, wenn wir uns gegenseitig höher achten. Miteinander zu arbeiten, reicht nicht. Wir müssen füreinander arbeiten.

Klaus: Ich nenne das »gelebte Wertschätzung«. Diese kann eine enorme Dynamik entwickeln. Natürlich ist mir bewusst, dass Wertschätzung ein inflationär gebrauchter Begriff ist …

Susanne: … und wenn Firmen die Wertschätzung besonders herausstreichen, bedeutet das meist, dass sie damit große Probleme haben. Wir verbringen sehr viel Lebenszeit am Arbeitsplatz, aber viel zu oft ist das keine qualitativ gute Zeit. Unser Ziel ist es, dem Arbeitsparadies möglichst nahezukommen.

Ist das realistisch? Geben Sie uns ein Beispiel, wo ein Unternehmen zum Arbeitsparadies geworden ist.

Susanne: Bei einer Firma haben wir vier Jahre lang die Geschäftsleitung plus die Führungsebene darunter trainiert. Einmal pro Jahr für zwei, drei Tage. Dann gab es einen Neubau und den Wunsch des Firmenchefs, dass wir eine Woche lang alle 160 Mitarbeiter trainieren. Das kam so gut an, dass der Geschäftsführer die Trainings ein Jahr später wiederholen wollte – für eine Woche mit allen Angestellten. 

Klaus: Schon eine Woche nach dem Training der Mannschaft rief der Geschäftsführer uns an und sagte: »Es herrscht ein komplett anderer Geist in unserem Unternehmen, das gibt es gar nicht.« Die Leute kommunizieren übergreifend, sie ergänzen sich gegenseitig. Die Firma hat in jenem Jahr ein Umsatzwachstum von 21 Prozent erzielt.

Susanne: Das erste Feedback kam im Januar. Im Februar rief der Geschäftsführer noch einmal an. Er sagte: »Das könnt Ihr auch noch auf Eure Fahne schreiben: Die Krankenquote ist von fünf auf unter zwei Prozent gefallen« – und das im Winter. Das ging dann immer so weiter. Zwei Monate später rief er erneut an und sagte: »Jetzt gibt es bei uns keine Überstunden mehr, sondern Minusstunden.« Die Leute arbeiteten weniger, erbrachten aber mehr Leistung. 

Klaus: Dann schaltete sich die Firmenzentrale ein mit dem Verdacht, die Arbeitszeiten würden gefälscht. Es könne doch nicht sein, dass man mit weniger Arbeitsstunden mehr Umsatz erziele. Es ist also wirklich etwas passiert. Aber ausgelöst hat das natürlich nicht unser Input alleine, sondern vor allem seine Umsetzung im Alltag.

Wie erklären Sie sich solche Resultate?

Klaus: So etwas ist nur möglich, wenn wir Firmen über längere Zeit begleiten und ein Stück weit ihre Kultur prägen können. Am Anfang hat man uns angeguckt, als kämen wir vom Mond. Doch sobald der Erfolg kommt, rollt er wie eine Lawine.

Susanne: Wenn wir es in den Seminaren schaffen, die Herzen der Personen zu erreichen, bewegt sich richtig etwas. In einer Feedbackrunde hat mal ein hochrangiger Angestellter gesagt: »Ich habe meine Leute bisher gequält. Jetzt will ich sie nicht mehr quälen.« Sie können sich nicht vorstellen, wie tief betroffen seine Mitarbeiter waren. Einige sagten: »So schlimm war es gar nicht.« Er erwiderte: »Doch, das war es.« Wenn so etwas passiert, kommt der Wandel. Ganz ehrlich, wir schaffen diesen nicht aufgrund unserer Qualifikationen.

Wodurch dann?

Susanne: Indem wir für die Personen beten, mit denen wir arbeiten. Denn bei Seminaren gibt es ein so kleines Zeitfenster, dass wir eigentlich kaum Chancen haben, eine Verhaltensänderung zu erreichen. Die Herzen so tief zu berühren, gelingt nur durch Gebet.

Das ist aber eine ungewöhnliche Methode!

Susanne: Wir beten natürlich nicht laut, dafür bereits im Vorfeld eines Seminars. Wir hängen das jedoch nicht an die große Glocke. Aber dann kommt der »Shift« und die Menschen spüren, dass das nichts mit Managementtools zu tun hat, die wir aus der Werkzeugkiste zaubern. Vielmehr passiert etwas, das Menschen nicht in Worte fassen können. Wenn es gelingt, sie zutiefst im Inneren zu bewegen, sodass sie selber darauf kommen, ihr Verhalten zu ändern, ist das für mich das größte Lob.

Klaus: Wir erleben regelmäßig, dass sich Menschen gegenseitig um Entschuldigung bitten, für das, was sie einander angetan haben. Das sind große Momente, in denen der Boden für die Zukunft gelegt wird. Wissen denn Ihre Auftraggeber, dass Sie mit Gebet arbeiten? 

Klaus: Nein, unsere Philosophie ist: Als Christen bezeugen wir unseren Glauben, indem wir ihn leben, aber nur selten mit Worten. Wir sprechen ihn nur an, wenn wir danach gefragt werden – etwa abends bei einem Glas Wein. Aber wer unser Leitbild liest, merkt natürlich, dass es von christlichen und biblischen Werten durchdrungen ist.

Susanne: Das ist für mich immer ein Höhepunkt, wenn sich die Unternehmenskultur einer Firma verändert und der Geschäftsführer oder die Angestellten fragen: »Wer ist der Urheber Ihrer Kraft?«

Die Herzen tief zu verändern, gelingt nur durch das Gebet.

Gibt es auch Leute, die Sie nicht erreichen?

Susanne: Ja, es gibt Menschen mit einer Schutzhaltung wie ein Panzer. Die haben Angst davor, dass wir sehen, wer sie wirklich sind. Wenn sie spüren, dass wir sie nicht beschämen möchten, sondern ihnen helfen wollen, kann man diese Menschen mit der Zeit trotzdem erreichen. Wir sind immer sehr demütig, wenn wir ein Problem gelöst haben. Denn wir wissen: Wir sind nicht die Urheber der Lösung.

Klaus: Wir haben das schon oft erlebt. Zum Beispiel, dass ich alleine ein Coaching machte und meine Frau am Abend anrief und sagte: »Ich komme hier nicht weiter.« Dann betete sie ebenfalls und am zweiten oder dritten Tag kam es zum Durchbruch. In solchen Situationen ist für mich ganz klar, dass Gott eingegriffen hat.

Trotz der geistlichen Dimension: Sie haben doch sicher Talente und gewisse Techniken, um zum Ziel zu kommen!

Susanne: Wir sind sehr gut darin, die Wurzel eines Problems innerhalb kurzer Zeit zu erkennen und darüber Transparenz zu schaffen. Wenn das jeder Einzelne versteht und bereit ist, mitzuwirken, kommt die Lösung fast von alleine. Wir schieben nie jemandem die Schuld zu. Die Menschen sollen selber merken, was ihr Anteil am Problem ist.

Klaus: Für uns ist sehr wichtig, einen sicheren Raum zu schaffen. Ein Setting, in dem die Menschen eher bereit sind, sich zu öffnen und aufeinander zuzugehen. In einem Konflikt ist sehr selten nur einer schuldig. Das kennt man ja von Ehekonflikten.

Unser Körper ist für die Liebe gemacht. Wenn uns andere verachten, bringt ihn das aus der Balance.

Heute spricht man viel über Work-Life-Balance. Doch immer mehr Menschen scheitern daran, ein ausgewogenes Leben zu führen …

Klaus: Der Druck auf Mitarbeiter und vor allem auf Führungskräfte ist heute immens. Über 25 Jahre lang konnten wir gut beobachten, wie die Belastung durch die Arbeit zugenommen hat. Trotzdem gehen nur wenige Firmen offen mit dem Thema um. Alle sagen zwar, dass ihre Mitarbeiter der wichtigste Erfolgsfaktor im Unternehmen seien. Ich sage den Firmenchefs immer: »Ihr kauft teuerste Maschinen und Software, aber was tut ihr wirklich für eure Mitarbeiter?«

Susanne: Was mich fasziniert: Hirnforscher an Topuniversitäten kommen zum gleichen Schluss wie wir.

Zu welchem Schluss?

Susanne: Unser Körper ist für die Liebe gemacht! Er verfügt über keine biochemischen Antworten auf die negativen Dinge, die auf uns einstürmen. Wenn uns Menschen verachten oder unter Druck setzen, ist die Antwort unseres Körpers, dass er gewisse Hormone ausschüttet, die uns in ein Ungleichgewicht bringen. Geschieht das zu oft, werden wir krank. Angeblich sind 97 Prozent aller chronischen Krankheiten auf solche Ungleichgewichte zurückzuführen.

Wie reagieren Firmen, wenn Sie das thematisieren? 

Susanne: Ziemlich überrascht. Denn ich sage den Managern: »Ihr gebt eure Autos in die Werkstatt, weil sich dort Spezialisten darum kümmern. Aber ihr absolviert Managerlehrgänge, ohne euch damit zu beschäftigen, wie Menschen aufgebaut sind und was sie brauchen.«

Klaus: Zum Glück wollen immer mehr Unternehmen eine Kultur schaffen, wo der Mensch wirklich im Mittelpunkt steht, man Wertschätzung lebt und sie nicht nur auf irgendwelche Prospekte druckt. 

Gelten dieselben Grundsätze bei der Problemlösung in der Familie wie am Arbeitsplatz?

Susanne: Klar. Der beste Satz stammt von einem dreizehnjährigen Jungen, dessen Eltern wir coachen durften. Er betete abends: »Danke, Jesus, dass ich nicht mehr in einem emotionalen Müllhaus leben muss und Susi und Klaus meinen Eltern beim Aufräumen helfen.« Das trifft es: Wir versuchen aufzuräumen, wo sich emotionaler Müll angehäuft hat. In Firmen und in Familien.

Gibt es Ereignisse in Ihrer eigenen Biografie, die Ihnen geholfen haben, gute Berater zu werden?

Susanne: Als meine Schwester 27 war, diagnostizierte ein Arzt Krebs: »Sie haben noch sechs Wochen, dann sind Sie tot.« Weil unser Schwager mit der Situation überfordert war, kauften wir zusammen ein Haus, damit ich besser für die Kinder meiner Schwester sorgen konnte. Diese Zeit hat uns tief geprägt. Wir haben viel darüber nachgedacht, was wirklich wichtig ist im Leben.

Klaus: Das ist auch die Frage, die wir mit unseren Kunden bewegen: Was ist wirklich wichtig? Da legen wir den Schwerpunkt. Das ist sowohl unsere Leidenschaft als auch unser Geschäftsmodell.

Klaus Merg

Klaus Merg

Seit über einem Vierteljahrhundert sind Susanne und Klaus beruflich wie privat ein Paar. Die Managementberater von Merg & More geben Seminare, um das schlummernde Potenzial in Mitarbeitenden zu wecken. Ihren Ansatz dazu fassen sie mit zwei Wörtern zusammen: »Ehre teilen«. Beide Mergs haben keinen geraden Berufsweg hinter sich: Klaus startete als Physiklaborant und studierte dann Theologie, Sozialpädagogik und Diplompädagogik. Susanne begann als Ingenieurin und hängte ein Studium der Sozialpädagogik an. Susanne und Klaus Merg haben zwei gemeinsame Kinder.

Susanne Merg

Susanne Merg

Seit über einem Vierteljahrhundert sind Susanne und Klaus beruflich wie privat ein Paar. Die Managementberater von Merg & More geben Seminare, um das schlummernde Potenzial in Mitarbeitenden zu wecken. Ihren Ansatz dazu fassen sie mit zwei Wörtern zusammen: »Ehre teilen«. Beide Mergs haben keinen geraden Berufsweg hinter sich: Klaus startete als Physiklaborant und studierte dann Theologie, Sozialpädagogik und Diplompädagogik. Susanne begann als Ingenieurin und hängte ein Studium der Sozialpädagogik an. Susanne und Klaus Merg haben zwei gemeinsame Kinder.