David Vogt
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Paul von Preußen

Der Brückenbauer

Die ersten Babyboomer gehen schon in den Ruhestand, die Generationen Y und Z machen bald die Mehrheit der Arbeitnehmer und Kunden aus. Unternehmen, die darauf nicht vorbereitet sind, trifft das hart. Paul von Preußen bereitet Firmen mit seinem Start-up Digital8 vor – mit außergewöhnlichen Beratungsmethoden.

Matthias Dittmann
Matthias Dittmann
7 min

Eure königliche Hoheit«, »Herr von Preußen« – beides wäre möglich, um den freundlich lächelnden jungen Mann zu begrüßen. Als Nachfahre des letzten deutschen Kaisers ist er Prinz und Mitglied einer alten Adelsfamilie. Aber einfach nur »Paul« ist ihm am liebsten.

Paul arbeitet als Vorstandsreferent der Personalvorständin bei der Commerzbank – und hat Digital8 gegründet, eine etwas andere Unternehmensberatung. Das Konzept: Digital Natives, also junge Menschen, die mit Internet, Tablets und Smartphones aufgewachsen sind, erklären erfahrenen Führungskräften die digitale Welt. Das Unternehmen gründete er zusammen mit Jonas Sowa, den er bei der Commerzbank kennenlernte. Den beiden fielen die Schwierigkeiten manch älterer Mitarbeiter beim Einsatz neuer Software auf. Hilfe bekamen diese meist von jüngeren Kollegen. Das brachte die zwei auf die Idee zu Digital8, wo es allerdings um mehr als bloße Softwarenachhilfe geht. Die Gründer wollen Brücken zwischen Generationen bauen, die in ganz unterschiedlichen Welten aufgewachsen sind – in der alten analogen Welt auf der einen und in der neuen digitalen Welt auf der anderen Seite. Wer in Letzterer sozialisiert wurde, hat oft ein tiefes Verständnis für digitale Themen, er ist sozusagen Einheimischer.

Anspruchsvolles Leben in zwei Welten

Ein Start-up zu gründen und gleichzeitig Vollzeit in einer Bank angestellt zu sein – für Paul bedeutet das ein anspruchsvolles Leben in zwei Welten: Siebzig Stunden pro Woche arbeitet er. Der klassische Arbeitstag gehört der Commerzbank. Davor, danach und am Wochenende führt Paul sein eigenes Unternehmen. Ohne den Einsatz seines Mitgründers Jonas Sowa, der sich ganz auf Digital8 konzentriert, würde es nicht gehen. Doch die Firma ist für Paul mehr als eine Feiertagsbeschäftigung. Sie bedeutet Leidenschaft. »Der Sinn meines Lebens ist, Beziehungen zu bauen. Zu meinem Schöpfergott und Jesus, seinem Sohn. Zu meinem direkten Umfeld, also meiner Frau, meiner Familie, zu Freunden. Aber auch zu Menschen auf der Straße. Ich liebe es, Brücken zu bauen. Und besonders spannend sind Brücken, die Grenzen überwinden.«

Der Sinn meines Lebens ist, Beziehungen zu bauen.

Pauls Augen leuchten, wenn er von Digital8 erzählt. Immer wieder lacht er laut. Es scheint, da ist einer zufrieden mit sich und seiner selbstgewählten Rolle als Brückenbauer. Kein Wunder, schließlich ist er bestens dafür geeignet. Paul, der Sprössling alten Adels. Aufgewachsen in einem traditionellen, vom Glauben geprägten Umfeld. Andererseits aber eben auch ein digitaler Einheimischer.

Er ist stolz auf seine Familie und steht zu seinen Wurzeln – ohne sie zu überhöhen. »Ich kann mir nichts drauf einbilden, da hineingeboren zu sein.« Seine Kindheit verlief weitgehend normal, die Eltern machten nicht viel Aufhebens um den Adelstitel. »Sie haben mir nicht beigebracht, dass ich etwas Besseres bin oder so. Ich musste Rasen mähen und die Spülmaschine ausräumen, wie andere Kinder auch.« Zum Adligsein gehören jedoch auch gewisse Besonderheiten: »Als sich Prinz Charles scheiden ließ, war das eine riesige Story. Altkanzler Schröder hingegen führt seine fünfte Ehe – und das ist Privatsache. Das zeigt schon, dass dem Adel oft stärkere Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Damit muss ich umgehen, aber ich kann es auch positiv nutzen.«

Umbruch Generationenwechsel

Mit einer ähnlichen Haltung sollen auch die Digital Natives von Digital8 im Einsatz sein: selbstbewusst zu ihrer Generation stehen - mit all ihren Vor- und Nachteilen. Und sich nicht für etwas Besonderes halten. Die Aufmerksamkeit, die sie von älteren Führungskräften bekommen, sollen sie nutzen, um ihre Ansichten und Themen zu platzieren. Dann kann Digital8 etwas dazu beitragen, dass der bevorstehende Umbruch gut gelingt.

Schon bald werden die Generationen Y und Z die Mehrheit der Arbeitnehmer und oftmals auch die Mehrheit der Kunden ausmachen. In einigen Branchen ist dies bereits heute so. Führungskräfte, die dann weder Mitarbeiter noch Kunden verstehen, werden es zumindest schwer haben. »Ich sehe die Herausforderungen mit meiner Generation. Aber zu sagen, die jungen Leute sind faul und verwöhnt, hilft nichts.« Denn die Fakten bleiben ja: »Die junge Generation kommt auf den Arbeitsmarkt, und zwar so, wie sie ist. Damit müssen Unternehmen klarkommen. Es gibt einen War for Talents und wer den gewinnen will, muss das beste Angebot machen.«

Unternehmen müssen eine Kultur schaffen, in der sich Mitarbeiter gern einbringen.

Was das heißt, kann Paul nicht pauschal beantworten. »Laut einer Umfrage arbeiten achtzig Prozent der Digital Natives lieber für 40 000 Dollar Jahresgehalt in einem Job, den sie lieben, als für 100 000 Dollar in einem Job, den sie hassen.« Das Gehalt scheint also nicht den Ausschlag zu geben, auch nicht die Statussymbole der älteren Generationen. Noch nicht einmal die bunten Konzepte von Techgiganten oder hippen Start-ups, die unter dem Stichwort New Work zusammengefasst werden. »New Work ist nur ein Buzzword. Es geht letztlich nicht darum, eine Spielkonsole und einen Kickertisch aufzustellen.« Es gebe kein Patentrezept, das alle Unternehmen einfach adaptieren könnten. »Die Konzepte sind ja bekannt: flexible Arbeitszeiten, vielleicht sogar die Viertagewoche oder unbegrenzt Urlaub und so weiter. Um die geht es aber nicht in erster Linie. Sondern vielmehr darum, eine Kultur zu schaffen, in der Mitarbeiter Freude empfinden, sich stärker einzubringen.«

Agieren statt reagieren

Ein Umbruch lässt sich auf verschiedene Weisen gestalten, und für Paul ist klar, welche er bevorzugt: »Es ist besser, agieren zu können, als reagieren zu müssen.« Der erste Schritt ist nach seiner Meinung der Bau einer Brücke, einer Verbindung zwischen dem Unternehmen, wie es bisher war, und dem Unternehmen, das es einmal werden könnte. Wie das geht? »Fast jede Organisation hat Nachwuchskräfte. Ein guter Anfang wäre also, diese zu befragen.« Darüber hinaus empfiehlt Paul, sich Impulse von außen zu holen. Denn: »Auch junge Menschen in einer Organisation passen sich an. Ich traue mich vielleicht nicht, meinem Chef meine ungeschönte Meinung zu sagen, denn der zahlt am Ende ja meine Brötchen.«

Der nächste Schritt muss nicht sein, alles umzuschmeißen. »Man kann mit Pilotprojekten arbeiten und sich so dem Umbruch nähern.« Die Schwierigkeit sei, den kommenden Umbruch rechtzeitig zu bemerken und andere von neuen Wegen zu überzeugen. »Deswegen setzen wir bei der Führungsebene an. Wenn die ihr Mindset verändert, kann sie eine neue Kultur vorleben. Wenige Zentimeter an der Spitze des Unternehmens bedeuten einige Hierarchieebenen weiter unten mehrere Meter. Das ist unsere Philosophie.«

Umgekehrtes Mentoring

Pauls Methoden basieren – wie sollte es anders sein – auf Beziehungen. Neben klassischen Tools wie Vorträgen, Workshops oder Paneldiskussionen spielt eines eine besondere Rolle: Reverse Mentoring, also Mentoring mit umgekehrten Rollen. »Nicht der alte Hase hilft bei der Karriere, sondern die junge Generation gibt ihr Wissen und ihre Erfahrung an Ältere weiter.« Damit das gelingt, muss man die richtigen Menschen zusammenbringen.

Wir finden Digital Natives, die auch einem 55-jährigen CEO widersprechen.

Digital8 unterhält ein Netzwerk aus über 200 Digital Natives. »Sie alle sind in bestimmten Bereichen absolut top und haben außerdem eine Geschichte, die sie interessant macht – auch für den CEO eines Dax-Unternehmens.« Landesschulsprecher, Unternehmensgründerinnen, Fridays-for-Future-Aktivisten oder Programmiererinnen. »Wir finden Digital Natives, die offen und direkt sind und Spaß daran haben, etwas weiterzugeben. Das sind alles Menschen, die sich auch trauen, einem 55-jährigen CEO mal zu widersprechen.« Außerdem werden Mentor und Mentee gut vorbereitet: »Ganz wichtig ist das Gespräch auf Augenhöhe, deswegen wird zum Beispiel in der Regel geduzt.« Führungskräfte müssen sich auf das Programm einlassen und dürfen beispielsweise Termine nicht ständig hin- und herschieben. Die digital Natives werden ermutigt, für ihr Thema einzustehen und sich nicht selbst zu zensieren. 

Aus Erfahrung gut

Paul hat selbst schon an einigen Reverse Mentorings teilgenommen, unter anderem bei der Commerzbank, seinem Arbeitgeber. Seine Mentee war damals Sabine Schmittroth aus der zweithöchsten Führungsebene des Unternehmens. Die beiden besuchten Fintechs, also Firmen aus der Finanzbranche, die innovative digitale Lösungen anbieten. Frau Schmittroth hörte sich Pauls Meinung dazu an. Sie unterhielten sich über Apps, und Paul erklärte ihr, wie man sie programmiert. Es entstand eine Beziehung, die auch heute noch Bestand hat: Frau Schmittroth hat weiter Karriere gemacht – und Paul auch. Den Vorstandsreferentenposten hat er bei ihr.

Sanfte Umbrüche

Auch in Pauls Leben gab es bereits Umbrüche. Sie verliefen recht sanft. »Der erste war meine Entscheidung für den christlichen Glauben, der zweite meine Entscheidung zu heiraten«, sagt er. Paul war erst Anfang zwanzig - in dem Alter ein ungewöhnlicher Schritt für seine Generation. Auch hier baut er also Brücken zwischen Tradition und Moderne. »Der dritte Umbruch war die Unternehmensgründung von Digital8.« Auch seine Weggabelungen beinhalteten ein gewisses Risiko, denn ein missglückter Umbruch kann Zerbruch bedeuten. Doch darauf ist Paul vorbereitet und er vertraut auf Gott: »Mein Leben ist noch so lang, da werde ich sicherlich auch einmal Zerbruch erleben. Aber dann kann ich mir sicher sein, dass immer einer da ist, der mir Halt gibt.«

Paul von Preußen

Paul von Preußen

Paul von Preußen wurde 1995 geboren und ist direkter Nachfahre des letzten deutschen Kaisers. Seine Leidenschaft ist es, den Dialog zwischen den Generationen zu fördern. In einer traditionsreichen Familie aufgewachsen, startete er schon früh bei einer deutschen Großbank verschiedenste Digitalprojekte und wurde mit 25 Jahren Vorstandsreferent. Außerdem rief er Digital8 ins Leben – eine Plattform, die seine Leidenschaft realisiert: Digital Natives und Führungskräfte unterschiedlichster Organisationen zusammenbringen, um neue Perspektiven für die größten (digitalen) Herausforderungen von heute zu bieten.